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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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»Water Closet« (engl. closet = kleine Kammer, Gelass) patentieren; im 19. Jahrhundert wurde es als Wasserklosett auch in Deutschland bekannt.
    Im angelsächsischen Sprachraum gilt das Wort »Water Closet« allerdings als unfein. Wer nach einem WC sucht, drückt sich meistens anders aus: »Where are the restrooms?«, fragt man in den USA bevorzugt, was so viel heißt wie »Wo sind die Erfrischungsräume?«. In Großbritannien fragen Frauen in einem Restaurant: »Where is the Ladies’?«. Nicht zu verwechseln mit »Where are the Ladies?«. Das fragen nur Herren, und auch nur solche, die keine Gentlemen sind.
    In Deutschland ging man früher zum »Abort«, eine Kurzform für den »abgelegenen Ort«, denn aus olfaktorischen Gründen lag das bewusste Örtchen in einiger Entfernung zur guten Stube, vorzugsweise draußen im Hinterhof. Manchen schien selbst das Kurzwort »Abort« noch zu lang, und so etablierte sich, lange vor Erfindung des Anrufbeantworters, die Abkürzung AB. Und das ist gar nicht mal so abwegig, denn schließlich haben der Abort und der Anrufbeantworter einiges gemein: Auf beiden kann man sich erleichtern. Und in beiden Fällen genügt ein Tastendruck, um das Hinterlassene verschwinden zu lassen.
    Heute gehören WCs zur Standardausstattung eines jeden Hotelzimmers. Das war nicht immer so. Zu früheren Zeiten gab es pro Etage maximal ein WC, das sich die Hotelgäste teilen mussten. Man fand es hinter der Tür mit der Doppelnull als Zimmernummer. »00« war das Gemeinschaftsklosett, »01« dann das erste Gästezimmer. So kam es, dass 00 zum Symbol für Toiletten wurde, auch dort, wo es keine durchnummerierten Zimmer gab.
    Als elegant werden solche Lösungen empfunden, die das eigentliche Anliegen unausgesprochen lassen. Ein »Wenn Sie mich für einen Augenblick entschuldigen würden?« wird verstanden, ohne dass es einer weiteren Erklärung bedürfte. Und wer sich im Restaurant nach dem Weg zum Abort erkundigt, tut dies am stilsichersten mit der einfachen Frage: »Wo, bitte, befinden sich die Toiletten?« Das ist eindeutig und verhüllend zugleich, zumal es von der Ursache (dem dringenden Bedürfnis) ablenkt und auf eine wo-auch-immer-befindliche Örtlichkeit verweist. Das schöne französische Wort »Toilette« ist übrigens eine Verhüllung par excellence! Ursprünglich bedeutete »toilette« nichts anderes als ein kleines Tuch, auf dem Kamm und Bürste abgelegt wurden. Daraus wurde die Morgentoilette, das tägliche Sich-Zurechtmachen vor dem Spiegel. Als man diese in geflieste Räume verlegte, ging die Bezeichnung für das morgendliche Ritual auf die Räumlichkeiten über – und letztlich auf die darin befindliche Keramik, denn unter Toilette versteht man heute sowohl den Lokus (lat. locus = Ort) als auch die Kloschüssel. Meine Freundin Sibylle sagt allerdings nie »Toilette«, sondern »Tö«. Laut Duden ist das Wort »Tö« eine Verkürzung des Wortes »Toilette« und auch in dieser kurzen Form weiblich, doch Sibylle gebraucht es sächlich. Sie geht nicht »auf die Tö«, sondern »aufs Tö«. Vielleicht in Anlehnung ans »Töpfchen«, auf das kleine Kinder müssen.
    Als Maren schließlich an unseren Tisch zurückkehrte, sah sie sehr vergnügt aus. »Was war los?«, fragte Henry. »Hat dir die Klofrau ein Gedicht vorgetragen?« – »Nein«, erwiderte Maren lachend, »die war gar nicht da. Ich denke mal, sie ist zur Kur geschickt worden. Oben hängt nämlich ein Schild, auf dem steht: ›Wegen Renovierung der WC-Damen sind die Toilettenanlagen im EG gesperrt.‹«

Die geschleifte Sprache
    Regelmäßig geraten wir mit unregelmäßigen Verben ins Schleudern. So auch jene Frau, die auf einem Parkplatz von einem Auto mitgeschleift wurde. Von der »Bild«-Zeitung, die in verschliffener Grammatik darüber berichtete, ganz zu schweigen.
    Wie man auf »bild.de« erfahren konnte, ist eine Frau auf einem Parkplatz in Tampa (Florida) aus einem fahrenden Auto überfallen worden. Einer der Räuber versuchte ihr im Vorbeifahren die Handtasche zu entreißen. Doch sie hielt diese mit beiden Händen fest umklammert, sodass sie vom Auto zu Boden geworfen und einige Meter »mitgeschliffen« wurde. So las und hörte man es im Beitrag auf »bild.de«.
    Die Frau ist zu bedauern. Die hier getroffene Wortwahl auch. Das Verb »schleifen« gibt es in verschiedenen Bedeutungen und mit verschiedenen Zeitformen. Wenn es »schärfen«, »glätten« bedeutet, dann wird »schleifen« in der Vergangenheit zu »schliff« und als

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