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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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stellte mich dem Publikum mit überschwänglichen Worten vor: »Hier kommt ein Mann, der sich dem Thema deutsche Sprache angenommen hat!« Höflicher Beifall brandete auf. Ich trat ans Rednerpult, raschelte etwas nervös in meinen Papieren und räusperte mich: »Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe Ihnen ein Märchen von Hans Christian Andersen mitgebracht, das ich ein wenig bearbeitet habe, und ich hoffe, es wird Ihnen gefallen.« Hastig nahm ich einen Schluck Wasser, um die trockene Kehle zu befeuchten, dann hub ich an: »Es trägt den Titel: Des Kaisers neue Kleider .«
    Bestürzt hielt ich inne. Das war ja ein Genitiv! Was war nur in mich gefahren – wollte ich die Leute etwa schon in der Überschrift kompromittieren? Verunsichert blickte ich zu Herrn Schmitz, der missbilligend den Kopf schüttelte. Ich räusperte mich noch einmal, nahm einen weiteren hastigen Schluck aus dem Wasserglas und begann von Neuem: »Dem Kaiser seine neuen Kleider.« Ein »Ah!«-Raunen ging durch den Saal – das Märchen war meinen Zuhörern offenbar bekannt –, und aus Herrn Schmitz’ Richtung war ein erleichtertes Seufzen zu vernehmen. Anmerkung Also las ich weiter:
    Vor vielen Jahren lebte ein Kaiser, dessen einzige Lust – pardon: dem seine einzige Lust – darin bestand, in immer neuen Kleidern zu wandeln und dem Volke seine kostbaren Röcke vorzuführen.
    Ich stockte erneut. Würden die Kölner diese Formulierung womöglich als besitzanzeigenden Dativ auffassen und »dem Volke seine kostbaren Röcke« als »kostbare Volksröcke« deuten? Ich durfte mir meine Verunsicherung nicht allzu sehr anmerken lassen und beschloss daher, zügig weiterzulesen:
    Eines Tages – nein, will sagen: an einem Tag –, da kamen zwei Betrüger in die Stadt, die gaben sich als Weber aus und behaupteten, Meister ihres Faches zu sein. Meister von ihrem Fach, um es verständlicher zu sagen. Sie würden die allerbesten Tuche weben, so fein, dass nur derjenige ihrer gewahr würde, der seines Amtes würdig sei.
    Katastrophe! War ich denn des Wahnsinns? Wie konnte ich nur so einen Satz durchgehen lassen! Die Sache bedurfte einer sofortigen Klarstellung: In Wahrheit haben die Weber natürlich nichts anderes behauptet, als dass sie Kleider machen können, die ein dummer Mensch nicht sehen kann. Und ich fuhr fort: Das erweckte des Kaisers Neugier.
    Und Letzteres wiederum die Missbilligung meines Gastgebers Herrn Schmitz. Flugs verbesserte ich:
    Das machte den Kaiser neugierig, und er befahl ihnen, ihm ein solches Gewand anzufertigen, koste es, was es wolle. Die Weber verlangten von ihm dafür Seide, Silber und Gold. Der Kaiser klatschte in die Hände und trug seinen Ministern auf: »Bringet alles herbei, wessen es bedarf! Des Guten kann es nicht zu viel sein!«
    Spätestens an dieser Stelle war klar, dass dieser Kaiser nie und nimmer in Köln gelebt haben konnte.
    Schnellen Schrittes gingen die Minister, das Gewünschte zu holen. Frischen Mutes machten sich die Weber ans Werk. Vergessen Sie einfach die letzten beiden Sätze.
    Nach ein paar Tagen wurde der Kaiser ungeduldig und ließ die Weber zu sich holen, auf dass sie ihm vom Fortgang ihrer Arbeit Bericht erstatteten. »Wir brauchen mehr Seide!«, riefen sie. »Und Gold! Erheblich mehr Gold!« – »Und wenn ihr noch etwas Silber habt, auch das!« Der Kaiser nickte. Die Minister eilten. Die Weber webten. Zumindest gaben sie sich den Anschein. Unterdessen – ich berichtige: unterdem – rückte der Geburtstag des Kaisers – also der kaiserliche Jubeltag – immer näher, und das Volk war voller Erwartung ob des angekündigten prächtigen Gewandes. Anders ausgedrückt: Das Volk war sehr gespannt auf den neuen kaiserlichen Fetzen.
    Als der Geburtstag gekommen war, erschienen die Weber in des Kaisers Gemach. (Sie wissen schon: das Zimmer, wo draußen dransteht: »Dem Kaiser seins«.) »Herr, wir bringen euch euer neues Gewand!«, verkündeten sie. Der Kaiser erschrak, denn er konnte es nicht sehen. Dabei war er sich seiner Sache so sicher gewesen.
    Ja, das kommt davon! Wäre er von seiner Sache nicht ganz so sicher gewesen, dann hätte er viel Gold und Silber sparen können!
    Der Kaiser durfte sich natürlich nichts anmerken lassen, und so schlüpfte er in die Kleider, die gar nicht da waren, zeigte sich voll des Lobes – also ziemlich voll mit Lob – und trat erhobe nen Hauptes – um nicht zu sagen mit erhobenem Haupt – hinaus vor das Schloss.
    Die Menschen, die seines

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