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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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»Fußgängerstreifen« – so sagte man im Schweizer Amtsdeutsch bislang zum Fußgängerüberweg – wird künftig zum »Zebrastreifen«. Das Zebra ist eindeutig sächlich und kann daher keinen Schaden anrichten.
    Ich bin mir nicht sicher, ob man die Sprache verändern muss, wenn man die Gesellschaft verändern will. Wörter wie »Fußgänger« und »Kunde« mögen grammatisch männlich sein, aber ihre Bedeutung ist so geschlechterübergreifend wie »der« Mensch. Wenn ich das Wort »Person« höre, denke ich auch nicht automatisch an eine Frau, nur weil »die Person« weiblich ist. Und es ist mir egal, ob ich als Figur männlich oder weiblich bin, solange ich nur eine gute abgebe.
    Die Entmannung der Sprache macht aber nicht beim Fußgänger Halt. Wörter, die das erkennbare Wort »Mann« enthalten, stehen auf der Berner Abschussliste ganz oben: Aus »Mannschaft« wird »Gruppe«, und der »Ein-Mann-Betrieb« wird zum »Ein-Personen-Betrieb«. In die Verlegenheit, die Fußballnationalmannschaft in »Fußballnationalgruppe« umbenennen zu müssen, kommen die Schweizer zum Glück nicht, da diese für sie ohnehin nur kurz und knapp die »Nati« ist.
    Da die Berner Stadtverwaltung ganz bodenständig denkt und sich nicht anschickt, nach den Sternen zu greifen, brauchte sie sich auch kein Ersatzwort für »bemannte Raumfahrt« auszudenken. Was wäre dabei herausgekommen: »bemenschte Raumfahrt«? Im Unterschied zur behundeten und beafften Raumfahrt?
    Und was ist in Bern nach neuer Sprachregelung wohl ein »herrenloses« Fahrrad? »Besitzerlos« kann es auch nicht heißen, denn der Besitzer ist genauso männlich wie der Herr. Es ist ja in der Schweiz nicht einmal ein Fahrrad, sondern ein »Velo«. Richtig kompliziert wird es, wenn es sich bei dem herrenlosen Fahrrad auch noch um ein Damenfahrrad handelt. Ich möchte nicht in der Uniform des Schweizer Polizeibeamten stecken, der zu Protokoll geben muss: »In der Berner Herrengasse wurde heute Vormittag ein herrenloses Damenfahrrad sichergestellt.« Das klingt im neuen Schweizer Amtsdeutsch womöglich so: »In der Bernerinnen und Berner Gruppengasse wurde heute Vormittag ein kaufkundschaftsloses Velo für weibliche Verkehrsteilnehmende sichergestellt.«
    Die Ideen der Sprachkastrationsbeauftragten gehen noch weiter: Auch die Wörter »Mutter« und »Vater« seien zu vermeiden, da diese »zu geschlechtsspezifisch« seien. Anstelle von »Vater« oder »Mutter« solle man »der Elternteil« schreiben – oder noch besser: »das Elter«! Demnächst wird es in der Schweiz dann keine Vaterschaftstests mehr geben, sondern Elterschaftstests. Nicht zu verwechseln mit dem Elchtest. Der Muttertag wird dann wohl irgendwann zum »Tag des austragenden Elters« und der Vatertag zum »Tag des einschenkenden Elters«.
    Vielleicht sind die Schweizer in Geschlechterfragen deshalb so besonders sensibel, weil ihr Land zu den wenigen Ländern zählt, die einen weiblichen Artikel haben. Deutschland hingegen ist sächlich und somit – zumindest grammatisch – ebenso neutral wie Österreich. Wenn die Gender-Diskussion weiter vorangetrieben wird, kommt es womöglich irgendwann dazu, dass die Schweizer ihre Neutralität auch im Landesartikel verankert sehen wollen und von oberster Stelle verfügt wird: Ab sofort heißt es »das Schweiz«.
Mehr zur weiblichen Emanzipation im Deutschen:

»Liebe Gläubiginnen und Gläubige« (»Dativ«-Band 1)
»Die Kapitänin, die Torfrau und die Libera« (in diesem Buch auf S. 113)

Kommt dämlich von der Dame und herrlich vom Herrn?
    Frage einer Leserin aus Kassel: Wenn mein Freund mich aufziehen will, behauptet er gern, »dämlich« komme von »Dame« und »herrlich« von »Herr«. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er sich irrt, zumindest in Bezug auf die Dame. Können Sie mir helfen, damit ich ihm beim nächsten Mal eins auswischen kann?
    Antwort des Zwiebelfischs: In der Tat gilt die Behauptung, dass »dämlich« von der »Dame« komme und »herrlich« vom »Herrn«, für viele Männer immer noch als das ultimative Argument in der verbalen Auseinandersetzung mit dem weiblichen Geschlecht. Höchste Zeit also, die Sache aufzuklären und richtigzustellen.
    Als ich sieben Jahre alt war, machte ich Bekanntschaft mit einer Regel, die sehr einfach zu behalten war: »Wer nämlich mit h schreibt, ist dämlich.« Und die Begründung lautete, dass »nämlich« von »Name« kommt. Der Umkehrschluss, dass »dämlich« von »Dame« komme, trifft indes nicht zu. »Dame« und

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