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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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weibliche Form von »Mannschaftskapitän« laute.
    Das Wort »Kapitänin« gebe es selbstverständlich, erwiderte ich, in der Seefahrt und der Luftfahrt kenne man es sogar schon länger als im Fußball. Die »Mannschaftskapitänin« ist also nichts Ungewöhnliches und daher auch im Wörterbuch zu finden. Auch die »Libera« ist dort bereits vermerkt, als weibliche Form zum »Libero«.
    Sodann wollte man wissen, ob es eine deutsche Entsprechung für das Wort »Keeperin« gebe. Darauf musste ich erst einmal nachfragen, welche Sprache denn »Keeperin« sein solle. Selbstverständlich gibt es ein deutsches Wort für die Spielerin im Tor, und nicht nur eines. Man (und frau) hat die Wahl zwischen Torhüterin und Torwartin, und wem das nicht genügt, der kann auch einfach »Torfrau« sagen. Nicht zu verwechseln mit der »Torwartsfrau«, die gibt es auch, aber die hat andere Aufgaben.
    Bei einer solch großen Auswahl kann man auf die Form »Keeperin« getrost verzichten. Außerhalb von Sportredaktionen gebraucht dieses Wort ohnehin kein Mensch. Das Gleiche gilt für den »Referee«, der ausschließlich von Journalisten so genannt wird. Jeder andere sagt »Schiedsrichter« oder kurz »Schiri«.
    Mit der weiblichen Entsprechung des Wortes »Manndecker« wird es dann schon schwieriger. Die »Manndeckerin« kann’s ja nicht sein. Fraudecker dann? Das klingt wie ein Name: »Frau Decker, einmal die 17 bitte!« Und Männindeckerin klingt geradezu absurd. Andererseits hat das Wechselspiel der Geschlechter viele drollige Formen hervorgebracht, die vielleicht paradox erscheinen, auf die aber niemand ernsthaft verzichten wollte. Wörter wie die Landsmännin und die Schirmherrin, den Bundeskanzlerinnengatten und die Bundespräsidentenlebensgefährtin, das Mannweib und den Frauenversteher, Herrchens Frauchen und das Erdmännchenweibchen.
    Was die Bildung weiblicher Formen betrifft, ist das Deutsche flexibler als manche unserer Nachbarsprachen. Im Englischen ist es zum Beispiel gar nicht möglich, mit Hilfe irgendeiner Endung eine weibliche Form zu bilden. Im Französischen kann man zwar zwischen Sänger und Sängerin (chanteur/chanteuse) und zwischen Kanzler und Kanzlerin (chancelier/chancelière) unterscheiden, nicht aber zwischen Arzt und Ärztin oder zwischen Präsident und Präsidentin. Dafür hängen die Franzosen bisweilen noch ein stummes »e« ans Wort, um das Weibliche zu markieren, so wie beim männlichen Vornamen René, der auch in der weiblichen Form »Renée« existiert. Genauso unterscheidet das Französische beim Wort für »Liebling« zwischen männlichem »Chéri« und weiblicher »Chérie«. Vielleicht sollten wir uns das zu eigen machen und zur besseren Unterscheidung die weibliche Kurzform der »Schiedsrichterin« mit »ie« schreiben: die Schirie. Udo Jürgens könnte dann zur nächsten Frauenfußballweltmeisterschaft eine Neudichtung seines Klassikers »Merci, Chérie« aufnehmen, und Kapitäninnen, Stürmerinnen, Liberas und Torfrauen sängen mit ihm im Chor: »Merci, Schirie«. Das würde bestimmt ein großer Hit!
Weiteres zu weiblichen Formen in der Grammatik:

»Vom Zaubermann zur Zauberfrau« (»Dativ«-Band 2)
»Der Vogel und die Vögelin« (in diesem Buch auf S. 160)

Ziehen Sie die Brille aus!
    Man kann Klamotten anziehen und Schuhe. Man kann auch Pech anziehen oder Glück. Und dann gibt es da noch dieses sonderbare Phänomen, dass Menschen Brillen, Uhren und sogar Taschen anziehen. Und das alles ohne Magnetismus!
    Es war mal wieder typisch hamburgisches Wetter: Strahlend blauer Himmel und gleißender Sonnenschein. An solchen Tagen wimmelt es am Hafen nur so von Touristen: Franzosen und Spanier, Schweizer und Dänen, Schwaben und Franken, sogar Bayern und US-Amerikaner. Man hört die unterschiedlichsten Sprachen und Dialekte. Vor den Landungsbrücken sprach mich eine junge Frau an und fragte, ob ich wohl ein Foto von ihr und ihrem Freund machen könne. »Selbstverständlich«, erwiderte ich, »es wird mir ein Vergnügen sein!« Sie reichte mir die Kamera und stellte sich zu ihrem Freund. Das erste Foto schien mir schon recht gelungen, aber ich wusste, dass es noch besser geht: »Könnten Sie vielleicht die Sonnenbrillen abnehmen?« – »Kein Problem!« Die Frau setzte die Brille ab, und da ihr Freund es ihr nicht sofort gleichtat, stieß sie ihn an und rief: »Los, zieh die Sonnenbrille aus!«
    Ich stutzte: Hatte ich richtig gehört? »Haben Sie gerade gesagt, er soll die Brille ausziehen ?«, fragte ich

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