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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Ratschläge. Einer lautete: »Es gibt Taucherbrillen mit Sehstärke. Eine normale Brille kannst du aber nicht drunter anziehen. Am einfachsten sind Kontaktlinsen!« Ich hätte gern gewusst, ob man die Kontaktlinsen ebenfalls »anziehen« kann. Meine Assistentin, die aus Mönchengladbach stammt, bestätigte mir: »Selbstverständlich kann man Kontaktlinsen anziehen!« Als sie als Studentin nach Hamburg kam, musste sie erst einmal lernen, dass man Brillen aufsetzt und abnimmt, dass man Ringe ansteckt und abzieht, Uhren um- und abbindet, Schmuck an- und ablegt. In ihrer Heimat brauchte man für all dies komplizierte An- und Abgetüdel nur zwei Wörter: anziehen und ausziehen. Sie findet auch heute noch, dass das doch viel praktischer sei. Statt sich einen Gürtel umzuschnallen, eine Brille aufzusetzen und einen Schal umzubinden, würde sie einfach Gürtel, Brille und Schal anziehen, das gehe doch viel schneller. Wo sie Recht hat, hat sie Recht.
    Ich werde sie demnächst auf einen Tauchlehrgang schicken. Dann kann sie mir berichten, wie es ist, mit angezogenen Kontaktlinsen eine Taucherbrille anzuziehen.
Weiteres zu regionalsprachlichen Besonderheiten:

»Wie die Sprache am Rhein am Verlaufen ist« (»Dativ«-Band 2)
»Das Schönste, wo gibt« (»Dativ«-Band 3)
»Ich hab noch einen Koffer in Berlin zu stehen« (»Dativ«-Band 4)
»So schnackt der Norden« (»Dativ«-Band 4)

Liebling, Was Wird Nun Aus Uns Beiden?
    Pump Up Your Letters! Es Regiert Die Allwortgroßschreibung! So machen es iTunes und Amazon vor. Aber nicht mit mir! Wer sich darüber aufregt, dass alle Anfangsbuchstaben in deutschen Liedertiteln großgeschrieben werden, der findet in dieser Kolumne einen Seelenverwandten.
    Sie wollen wissen, was ich in meiner Freizeit mache? In meiner Freizeit zupfe ich an meinen Balkongeranien (ca. zehn Minuten täglich), lese die Zeitung (ca. zwanzig Minuten täglich) und pflege mein digitales Musikarchiv (ca. vier Stunden täglich). Vor einem Jahr bin ich von Windows auf Apple umgestiegen, habe mir einen iPod zugelegt und mich bei iTunes registriert. Dann fing ich an, meinen CD-Bestand in meinen Computer einzulesen. Dabei verbindet sich der Rechner automatisch mit einer Datenbank namens »Gracenote«. Von dort ruft er die Daten ab, die zu der CD gehören, und wenige Augenblicke später erscheinen der Name des Interpreten, der Name des Albums und sämtliche »Tracks« – also Liedertitel – in der Maske auf meinem Bildschirm. Es könnte alles so einfach sein und würde mir nicht so viele Stunden Zeit abverlangen, wenn – ja, wenn ich nicht so ein Perfektionist wäre. Und wenn die Liedertitel bei der »Gracenote Media Database« in korrekter Orthografie gespeichert wären. Sind sie aber nicht.
    iTunes und andere Musikanbieter liefern deutschsprachige Titel fast ausschließlich mit kapitalen Anfangsbuchstaben:
»Er Gehört Zu Mir«
»Du Machst Mir Noch Mein Herz Kaputt«
»Schau Mich Bitte Nicht So An«
»Da Ist Eine Zeit Zu Lachen Und Zu Leben«
»Nein, Es Tut Mir Nicht Leid«
    Das kannte man bislang von englischsprachigen Liedern (»I Want To Hold Your Hand«, »My Heart Will Go On«) und hat es achselzuckend hingenommen. Wobei es selbst bei englischsprachigen Produktionen nicht immer gleich gehandhabt wurde und wird: Auf diversen Alben findet man die Artikel »a« und »the« sowie Präpositionen wie »of«, »in« oder »at« in kleingeschriebener Version, und so kommt es zu ungleichen Paaren wie »Strangers in the Night« und »Candle In The Wind«. Die Angelsachsen mögen ihre Lieder buchstabieren, wie sie wollen. Doch in Deutschland gelten andere Regeln – nämlich die der deutschen Orthografie. Und die hat niemals vorgesehen, dass Liedertitel durchgehend mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben werden. Die Allwortgroßschreibung erscheint für deutsche Augen ungewohnt und wirkt deswegen nicht harmonisch, sondern aggressiv: Die Wörter Schreien Einen Geradezu An!
    Darüber hinaus verstärkt die Allwortgroßschreibung die heute ohnehin schon starke Verunsicherung in Bezug auf unsere Schriftsprache. Wenn ein außenstehender Betrachter sieht, dass in E-Mails offenbar jedes Wort kleingeschrieben werden darf, während in Liedertiteln alles großgeschrieben wird, muss er zu dem Schluss kommen, dass es nicht nur eine Rechtschreibung gibt, sondern mehrere, die sich je nach Medium unterscheiden.
    Zuletzt schob ich eine CD mit Liedern von Johannes Heesters in meinen Rechner. Als der Titel »Liebling, was wird nun aus uns

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