Der Deal
Theorie von Eds Selbstmord, wenn auch Jim mehr emotional urteilte. Und für Hardy sprachen die Fakten, selbst wenn man die Verdächtigen und ihre Alibis gar nicht beachtete, einfach gegen ein solches Urteil. Für Jim war das Ganze eher eine Glaubensangelegenheit. Eddie Cochran hätte das nie getan – weder auf die eine noch auf die andere Weise.
Hardys zweiter Pfeil traf in das schmale Feld der dreifachen Zwanzig, das war für jeden Werfer ein guter Schuß. Den letzten Dartpfeil legte er auf seinen Schreibtisch. Für heute abend hatte er sich aus dem Siegerfeld verabschiedet.
Der Holzstuhl war auf der Haut an seinem Hintern und seinem Rücken unangenehm kalt, aber er zwang sich zum Niedersetzen. Auf dem Tisch lagen Papierschnitzel herum, darauf waren seine Gedankenfetzen der letzten Woche verteilt, und für den nächsten Morgen wollte er klar Schiff machen. Er war heilfroh darüber, daß er Moses an dem Nachmittag nicht getroffen hatte. Er hätte sich wahrscheinlich nicht bremsen können und vor ihm damit geprahlt, daß der Fall nun gelöst sei, was er mit absoluter Sicherheit noch nicht war.
Mit einem Schlag löste sich die durch den Alkohol und das Gespräch hervorgerufene Euphorie in nichts auf. Hardy sah verwundert auf die Papierschnipsel in seiner Hand, die ihm nun völlig bedeutungslos vorkamen. Verschrobene Theorien und schlaue Sprüche hatte er sich notiert.
Gedankenverloren streckte er die Hand nach seinem Anrufbeantworter aus. Er wollte noch einmal Janes Stimme hören, und soviel er wußte, hatte er die Nachrichten noch nicht gelöscht. Zuletzt hatte er Jims Telefonnummer abgehört. Da stand sie tatsächlich auf einem Stück Papier.
Er schaltete das Gerät ein.
»Danke«, hörte er. Das war das Ende von Jims Nachricht.
Dann war Janes Stimme zu hören: »Ich denke gerade über …«
Ab da hörte er nicht mehr zu. Tief in seinem Gehirn läutete eine Alarmglocke, und durch die Gänsehaut auf seinen Armen und Beinen standen ihm die Härchen zu Berge. Er spulte das Band wieder zurück.
»… fünf-null-acht-eins. Danke.«
Er schloß die Augen, spulte noch einmal zurück und lauschte. »Danke.« Er wiederholte es in seinem Kopf, wie er es beim erstenmal gehört hatte.
»Der Hurensohn«, flüsterte er.
Das Notruf-Band von der Polizei hatte er in die Schublade rechts von sich gelegt. Er hielt den Atem an, eine irrationale Panik hatte ihn ergriffen, daß es vielleicht verschwunden sein würde, aber es war noch da. Er schwenkte seinen Stuhl um hundertachtzig Grad und legte das Band vorsichtig in das Abspulgerät. Die Nachricht war sehr kurz.
»Auf dem Parkplatz der Cruz Publishing Company liegt eine Leiche.« Eine kurze Pause folgte, in der der Anrufer vielleicht überlegte, ob er noch etwas hinzufügen sollte. Nein. Dann nur noch: »Danke.«
Er hatte sich wieder zu seinem Schreibtisch umgewandt, hob den Anrufbeantworter hoch und stellte ihn neben den Kassettenrekorder. Dann ließ er nacheinander die beiden »Danke« ablaufen, erst das eine zuerst, dann das andere.
Einmal Cavanaughs Nachricht vom frühen Abend. Und dann die förmliche, kultivierte, akzentfreie, ausdruckslose Stimme – ein Lächeln und eine Pose konnten ihr Klang und Farbe verleihen.
Zähl eins und eins zusammen, Diz, befahl er sich selber. Deshalb war der Anruf fast von der anderen Seite der Stadt gekommen. Cavanaugh war auf dem Weg nach Hause gewesen, vielleicht auch mit dem Bus oder der Straßenbahn. Oder er war zu Hause gewesen und dann noch einmal fortgegangen, weil er nicht vom Pfarrhaus aus anrufen wollte, und wahrscheinlich wußte er auch nicht, daß Notrufe automatisch aufgezeichnet wurden.
Er hörte sich das Polizeiband noch einmal an, auf dem die Stimme zu hören war, der er die halbe Nacht gelauscht hatte. Die Stimme hatte ihm mehr erzählt, als er bewußt mitbekommen hatte. Himmel!
In seinem Zimmer hatte er einen Safe, in dem er einige Papiere und seine Waffen aufbewahrte. Er öffnete ihn, nahm beide Bänder aus den Geräten und legte sie in den Safe, den er verschloß und durch Verdrehen der Zahlenkombination sicherte.
Auf dem Weg zu seinem Schlafzimmer nahm er den letzten Dartpfeil in die Hand. Er verlagerte sein ganzes Körpergewicht auf das linke Bein, mit den Zehen berührte er die Abwurflinie. »Ins Schwarze«, sagte er mit lauter Stimme. Dann warf er den Pfeil.
Er war sicher genug.
Kapitel 31
»Dominus …« begann er mit weit ausgebreiteten Armen. Sofort berichtigte er sich. »Der Herr sei mit
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