Der Deal
Punkt der Sex ins Spiel. Ihr Polizisten habt da zumindest die Wahl.«
»Warum tut ihr’s dann? Warum bleibt ihr Kerle bei der Stange?«
Cavanaugh nahm wieder einen Schluck. »Keine Ahnung. Manchmal weiß ich überhaupt nichts mehr. Man glaubt wohl an die Theorie, daß das ganze Leiden einen Sinn hat.«
»Glauben Sie an Gott?«
»Man fährt besser damit. Man sündigt und sündigt und sündigt immer wieder und denkt dabei, vielleicht wird es eines Tages leichter, und man muß nicht mehr so oft das Gefühl haben, Gebote zu übertreten, da Gott einem vielleicht irgendwann einmal eine Pause gestattet. Nehmen Sie zum Beispiel einen Arzt, der Kopfschmerzen hat – er kennt fünfzig mögliche tödliche Konsequenzen dieses Symptoms. Für Sie ist es ein Kopfschmerz, wahrscheinlich wird er vorbeigehen. Ein Arzt weiß, daß es ein Tumor sein kann, Krebs, das erste Anzeichen für einen Schlaganfall und noch vieles mehr.
Mit den Priestern ist es genauso. Wir dürfen uns auf keinen Fall den Gedanken erlauben, daß wir schon ganz in Ordnung sind. Wenn wir das tun, dann spricht aus uns der Stolz! Die schlimmste aller Sünden! Aber wenn ich denke, daß ich ein völlig wertloses Stück Dreck bin, dann drücke ich damit falsche Bescheidenheit aus, das ist schon die nächste Sünde. Alles ist eine Sünde, Dismas. Und wenn etwas doch keine Sünde ist, dann ist es nahe daran. Hat man zum Beispiel leicht einen in der Krone, so wie jetzt – natürlich verhilft das zur Entspannung, aber das ist auch eine der sieben Todsünden. Trunkenheit. Man entkommt dem niemals.« Das war seine Schlußfolgerung, und wieder langte er nach seinem Glas und stürzte die Hälfte des Inhalts hinunter. »Niemand. Niemals.«
Hardy lehnte kopfschüttelnd in seinem Stuhl. »Und all das vom perfekten Priester zu hören!«
»Wer glaubt denn so was?«
»Erin Cochran.«
Cavanaugh machte einen tiefen Atemzug. »Was weiß sie denn schon!«
»Man sollte meinen, daß sie Sie kennt.«
Cavanaugh seufzte. »Sie ist für mich ein Zeichen Gottes, das mich daran erinnern soll, daß ich nicht einmal auf dem Weg dazu bin, perfekt zu werden, und noch viel weniger jetzt schon perfekt bin.«
»Was soll das heißen?«
»Das heißt, daß man nach zwanzig, dreißig Jahren glauben könnte, diese magische Anziehung, die sie auf mich ausübt, würde endlich abnehmen.« Wieder erhob er sein Glas, dann stellte er es vorsichtig wieder zurück, so als hätte er Angst, es könnte zerbrechen, wenn er es zu stark zusammendrückte. »Manchmal bin ich noch … ich glaube, ich liebe sie, seit ich sie zum ersten Mal sah. Und zu der Zeit war ich noch lange kein Priester.«
Hardy wollte ihn fragen, aber Cavanaugh kam ihm zuvor, indem er fortfuhr: »Und glauben Sie nicht, daß ich in all der Zeit nicht mit ihr schlafen wollte, wie jeder andere Mann …«
Hardy erhob sein Glas und nahm einen Schluck. In Gedanken schweifte er zu Jane ab, zu ihrer neuen Beziehung, wie sie nach all diesen abstinenten Jahren überstürzt und hastig vor dem Restaurant miteinander verkehrt hatten. Er sagte: »Das muß sehr schwer sein.«
Vom Priester kam ein seltsames Geräusch, wie ein Lachen, aber er lachte nicht. »Man sagt, Liebe und Haß liegen nahe beieinander. Manchmal weiß ich nicht, ob ich sie hasse, ob ich sie nicht alle hasse …«
Und da tauchte er wieder auf, der ungebetene Bettler, der seine Hand bittend ausstreckte. Hardy sah die Hand kurz an, dann warf er ihm eine Vierteldollarmünze zu, die in der Mitte seiner Hand aufkam.
»Ja, ich habe die Versuchung gespürt, dieses ganze Glück, das ich da vor Augen habe, auszulöschen. Warum sollen sie alles haben? Halten Sie das etwa für fair?« Er starrte, seinen Blick auf ihn gerichtet, durch Hardy hindurch in sein eigenes Inneres. »Es gab einen Moment, Gott steh mir bei, da war ich fast froh darüber, daß Eddie tot war. Sollen sie doch einmal spüren, wie es ist, wenn die Dinge schiefgehen, wie es ist, sein Liebstes zu verlieren, den Sinn seines Lebens zu einem Nichts zusammengeschrumpft zu sehen. Erin denkt also, ich wäre perfekt?«
»Nicht annähernd, Dismas, nicht einmal annähernd. Wenn ich solche Gefühle haben kann, wenn auch nur sekundenlang, und das, obwohl der Junge wie mein eigener Sohn ist, mein einziger Sohn …« Er führte eine Hand an sein Gesicht. »Ich mußte zu den Cochrans gehen und Eddie beerdigen«, wieder schüttelte er den Kopf, »nach diesen Gefühlen war das wie eine Buße. Man glaubt an einen lieben Gott, man glaubt,
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