Der Deal
nicht so, daß er Pater Cavanaugh nicht mochte – Eddie hatte ihn geliebt, und das war fast schon genug für Steven –, aber es war, als ob der Mann nicht er selbst wäre. Die Menschen sollten sie selbst sein … Klar, aber sogar Eddie war in letzter Zeit so gewesen. So waren die Erwachsenen eben – sie lächelten und spielten ihre Spielchen. Aber Eddie, der hatte Dinge kommen sehen. Er war verletzt, es ging ihm mies wegen seiner Arbeit, wegen dem, was er aus seinem Leben machen sollte. Warum wäre er sonst in den letzten Wochen so oft zu ihnen gekommen?
Seine Mutter ging nun hinüber zu dem Loch im Boden, der ausgehobenen Erde, die mit einem grünen Tuch abgedeckt war. Glaubten die, man würde nicht an die Erde denken, unter der Ed begraben werden würde, wenn sie ein Tuch darüber legten?
Schließlich durften seine Arme sich entspannen, als sie den Sarg auf das Gestell, das Ed hinabsenken würde, stellten. Die zweite Hälfte des Weges war ziemlich hart gewesen. Vielleicht sollte er sich ab und zu einen Job suchen, dachte er. Er wollte nur nicht wie Mick beim ROTC landen.
Seine Mutter stand nun neben seinem Vater. Der andere Mann, der mit ihr gesprochen hatte, stand etwas hinter ihr, fast wie ein Leibwächter. Er schien alles gleichzeitig zu beobachten, verbarg es aber.
Steven sah sich um. Eddie hatte ihn ein paarmal mit zur Arbeit genommen – schon allein, um Steven an seinem Leben teilhaben zu lassen – und ihn einigen Leuten dort vorgestellt. Er war überrascht, Eds Chef zu sehen, Mister Polk, mit seinen großen Ohren und dem traurigsten Gesicht in der Menschenmenge. Er stand mit einer jungen Frau hinter Frannie. Die Frau war so hübsch, daß Steven sie nicht lange ansehen konnte. Dickes braunes Haar, zarte Haut, ordentliche Brüste. Er sah, wie der Mann, der vorher mit seiner Mutter gesprochen hatte, sie anschaute, sah, wie sie lächelnd zu ihm zurückschaute, weshalb sein Blick dann auf seine Schuhe fiel. Was machte Eds Chef mit so einer tollen Frau? Er würde die Erwachsenen nie verstehen. Wozu überhaupt?
Über ihnen zirpten die Vögel in den Bäumen. Er konzentrierte sich darauf, und nicht auf das, was Pater Jim sagte. Das war sowieso Mist. Wenn Eddie sich wirklich umgebracht hatte, und Pater Jim schien einen Grund zu haben, das zu glauben, dann war er in der Hölle.
Steven glaubte nicht, daß Eddie in der Hölle war. Er glaubte, daß er nirgendwo war, an dem gleichen Ort, wo alle Menschen hinkamen – wo sogar zu Lebzeiten schon viele waren. Er schaute hinauf und versuchte, nicht daran zu denken, wo Ed sein könnte. Eddie und er waren Freunde gewesen, trotz ihres Altersunterschiedes und obwohl sie Brüder waren.
Dann drängelte sich plötzlich der Mann hinter seiner Mutter durch die Menge, sprang fast über den Sarg. Er erreichte Frannie in dem Moment, als sie das Bewußtsein verlor und zusammenbrach.
Frannie schien nichts zu wiegen, weniger als nichts. Ihr volles rotes Haar und das Grün des Rasens unter ihr hoben die enorme Blässe ihres Gesichts nur noch deutlicher hervor.
Moses hockte neben Hardy. Er berührte Frannies Gesicht, rieb es sanft, versuchte, wieder etwas Farbe hineinzubringen. »Atmet sie?«
Hardy nickte. »Sie ist nur ohnmächtig.«
Der Priester kam und kniete sich zwischen sie. Er fühlte am Hals ihren Puls, schien zufrieden, stand auf. »Ihr wird es gleich wieder bessergehen«, sagte er zu den Trauernden.
Frannies Gesicht bekam wieder etwas Farbe. Sie schlug die Augen auf, schloß sie wieder, öffnete sie und ließ sie dann auf. Moses sagte etwas zu ihr, nahm sie auf seinen Arm und folgte Hardy durch die Menge zurück zu den geparkten Wagen.
Hardy hörte ein unterdrücktes Schluchzen an Moses’ Schulter. Plötzlich konnte er das alles nicht mehr verkraften, steckte seine Hände in die Taschen und ging die Zufahrt hinunter zum Eingang, außer Sichtweite, außer Hörweite. Schließlich blieb er stehen und machte eine Stelle unter einem Eukalyptusbaum frei, setzte sich hin und versuchte, seinen Blick nicht auf Grabsteine fallen zu lassen, was in Colma nicht einfach ist.
Kapitel 9
Das Haus der Cochrans lag in der Nähe von Hardys Haus, also in vertrauter Nachbarschaft, an der 28th Avenue, zwischen der Taraval und der Ulloa Street. An den meisten Tagen hing über beiden Häusern der Nebel, aber Hardy wohnte nördlich des Parks – der Süden war so kleinstädtisch, wie dies in San Francisco nur möglich war.
Big Ed begrüßte ihn an der Tür und stellte sich vor. Er
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