Der Deal
hauptsächlich wegen Frannie hier. Und wegen ihrem Bruder.«
Sie blieb jetzt stehen und schaute ihn wieder an, ihre Augen auf gleicher Höhe. »Waren Sie bei der Hochzeit? Müßte ich Sie kennen?«
Er schüttelte den Kopf. »Hochzeiten sind nichts für mich. Ich, ähm, hatte außerhalb der Stadt zu tun, habe es nicht geschafft.«
»Aber jetzt sind Sie …?« Die Worte hingen in der Luft. Ihr Blick ließ ihn nicht los.
»Moses glaubt nicht …«, er machte eine Pause, setzte neu an, »… daß es Selbstmord war, und ich glaube es wohl auch nicht.«
Sie sah zum Grab hinüber. Die Träger hatten den Sarg noch nicht aus dem Leichenwagen gehoben. Sie klammerte sich an Hardys Arm und sprach mit zusammengebissenen Zähnen. »Mein Eddie hat sich um nichts in der Welt selbst umgebracht. Um nichts.«
Plötzlich war es wichtig, jemandem zu erzählen, was sie in ihrem Herzen wußte. »Mein Eddie … er brachte eine streunende Katze oder einen Vogel mit, der bei einem Sturm aus seinem Nest gefallen war. Er war fast … ich weiß nicht, wie ich sagen soll … ja, fast weiblich, so sensibel, wie er war. Er haßte Football. Haßte Eishockey. Das war ihm zu brutal. Sein Vater und Mick haben ihn damit immer aufgezogen, aber er war einfach nur zart. Wenn Sie ihn auch nur ein bißchen gekannt haben, wissen Sie das.«
Hardy überlegte einen Augenblick, sah ihr nicht in die Augen.
»Es ist unbegreiflich, daß er überhaupt eine Waffe besaß«, sagte sie. »Wozu hätte er sie gebraucht?«
»Die Waffe ist sicherlich eine Frage, die sich mir stellt.«
Sie blieb stehen. Sie wollte nicht drängen, wußte nicht, warum es so wichtig war, diesem Mann das klarzumachen. Eddie war fort. Welchen Unterschied würde es machen?
»Es tut mir leid«, sagte sie und ging weiter auf das Grab zu. »Ich fürchte, ich bin nicht ganz ich selbst, aber es war nicht seine Waffe. Ich weiß es.«
»Wissen Sie, wo sie herkam? Wo er sie vielleicht herhatte?«
»Nein.«
Sie blieb wieder stehen und berührte seinen Arm. Sie wußte nicht genau, was sie eigentlich sagen wollte. Aber sie hatten begonnen, den Sarg zum Grab zu tragen – den Sarg, in dem Eddies Körper lag –, und ihre Gefühle überwältigten sie, so daß sie nicht sprechen konnte.
Steven hätte nicht gedacht, daß der Sarg so schwer sein würde. Sein Bruder war nicht so ein großer Mensch gewesen, aber mit dem Holz und den Griffen und so weiter war er schwer, und seine Arme begannen schon zu schmerzen, als sie ihn aus dem Wagen genommen hatten.
Er würde es sich aber nicht anmerken lassen, würde niemandem die Genugtuung verschaffen. Es waren nur ungefähr dreihundert Meter bis zum Grab, schätzungsweise. Neben ihm, auf der Rückseite des Sargs, ging sein Bruder Mick, ein Riesenkerl, dem das Gewicht des Sargs nicht ausmachen würde. Aber für ihn, den kleinen, schwächlichen Bruder Steve, war es bereits eine Herausforderung, nur hier zu stehen und das Ding zu halten.
»Wer spricht denn da mit Mom?« flüsterte Mick. Mick hatte gerade bei der USF angefangen, den Streitkräften der Vereinigten Staaten, und machte eine Ausbildung im Ausbildungskorps für Reserveoffiziere, dem ROTC. Was Steven betraf, trennten sie Welten.
Steven zog nur die Schultern hoch. Er hatte den Mann bei seiner Mutter gesehen und war sich nicht sicher, ob er ihm schon mal irgendwo begegnet war, vielleicht bei Eddie drüben, aber es war egal, er wußte nicht, wer er war. Kein Problem, es ging ihn nichts an. Er würde keinen Atem verschwenden, um mit Mick deswegen Spekulationen anzustellen.
Pater Jim gab ihnen vom Grab aus ein Zeichen, und sie gingen los. Der Priester war in Ordnung, wenn er nicht so heilig tat, wenn er nur ein normaler Mensch war, zu Hause ein Gläschen mittrank oder am Strand auf dem Highway One zum Spaß mit dem Auto fuhr.
Ja, der Priester mochte in Ordnung sein. Wenigstens mochten ihn alle anderen. Erwachsene waren sowieso in dieser Hinsicht wie Schafe, sie schlossen sich zu einer Herde zusammen und folgten ihm. Wenn man ehrlich war, konnte der Typ einem ein wenig viel werden, zwischen heilig und komisch schwankend, oder Mom mit diesem Blick anschauen, und wenn er allein mit ihm – Steven – war, versuchte er, sich wie ein Kind aufzuführen, fluchte und machte Blödsinn. Wer brauchte diesen Mist? Sei du selbst, wollte Steven ihm sagen. Wenn sie dich nicht mögen, sollen sie dich mal …!
Wie jetzt zum Beispiel. Da stand er offiziell heiligmäßig neben Frannie und sprach leise zu ihr. Es war
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