Der Deal
herunter. Er hätte sich gleich heute darum kümmern sollen, aber er hatte sich so gefreut, daß Jeffrey zurückgekommen war, daß er nicht daran gedacht hatte. Das würde nicht gehen, dachte er. Diese Nachlässigkeit.
Er würde aufpassen müssen. Und auch wenn es unangenehm werden konnte, er würde noch einmal mit Jeffrey darüber sprechen müssen. Aber diesmal würde er entspannt sein. Und er würde nicht wütend werden – er würde einfach alles sehr deutlich erklären, so daß alle Feinheiten klar wären. Wenn dann Hardy oder Giometti noch mal kommen würden, wären sie vorbereitet, und die Fragen würden aufhören.
Das war eigentlich das einzige, was er wollte. Daß die Fragen aufhörten.
Hardy öffnete die Tür des Restaurants Schroeder, einer altmodischen deutschen Gaststätte im Stadtzentrum, und war fast überwältigt von dem Gefühl eines Déjà-vu. Dies war früher sein Lieblingsrestaurant gewesen, als er nicht mehr Polizist, sondern Assistent des Bezirksstaatsanwalts gewesen war, vor seiner Scheidung von Jane.
Es wurde ihm klar, daß er seit dieser Zeit, etwa vor acht Jahren, nicht mehr hier gewesen war. Es überraschte ihn überhaupt nicht, daß sich fast nichts verändert hatte. Ungewöhnlich war nur, wie er sich fühlte – er hätte nichts dagegen gehabt, zufällig jemanden zu treffen. Egal wen. Und Schroeder war schon damals die Art von Lokal gewesen, wo man jemanden traf – Polizisten, die außer Dienst waren, andere Bezirksstaatsanwälte, Reporter, Anwälte, die nicht zusammengeschlossen waren und es auch nicht sein wollten. Menschen, die sich die Zeit vertrieben, die sich unter die Leute mischten und bei einigen Gläsern Bier plauderten.
Wenn es klappte, würde er heute abend wieder eine Beziehung zu der Stadt, in der er lebte, aufnehmen. Oder auch nicht. Es war irgendwie interessant, daß ihm das einfiel.
Nachdem es passiert war, war er sich nicht mehr sicher, welcher Schlag ihn zuerst getroffen hatte. Er hatte gerade sein Dortmunder bekommen, schaute sich um und genoß die Atmosphäre, als seine Ex-Frau Jane keine fünfzehn Meter von ihm entfernt auf der anderen Seite des Raumes aufstand. Das war der erste Schlag. Dann kam das heftige erste Zittern des Erdbebens.
Hardy stand auf und bahnte sich einen Weg durch die Tische, fort von Jane, bis er im Flur war, der nach hinten, in die anderen Räume führte.
Es war ein ordentliches Beben, mit einer Stärke von vielleicht fünf oder sechs auf der Richterskala, und es bebte weiter, als er ging. Im Restaurant wurde es leise, weil alle den Atem anhielten. Die Deckenlampen schaukelten heftig, und mehrere Gläser fielen aus dem Regal hinter der Bar. Hardy stand da, unter einem Balken theoretisch in Sicherheit, und wartete.
Das Beben war zu Ende, und nach einem kurzen nervösen Gelächter kehrte der Raum wieder zur Normalität zurück. Hardy sah, wie Jane direkt auf ihn zukam.
Sie sah nach acht Jahren noch genauso aus wie damals. Sie war jetzt vierunddreißig, wäre aber für fünfundzwanzig durchgegangen. Ihr Gesicht war immer noch faltenlos. Man konnte ihm das Alter nicht ansehen, es war wie das Gesicht eines Babys. Das machte Sinn, dachte Hardy. So war das eben, wenn man keine Schuldgefühle hatte.
Sie hatte ihn immer noch nicht bemerkt, und er mußte sie einfach anschauen. Groß, schlank, glänzendes dunkles Haar, das sogar in dem halbdunklen Raum schimmerte. Sie hatte ihren Blick beim Gehen gesenkt – ihr Gang war anmutig, gelassen. Wieder das Gesicht, er schaute immer wieder das Gesicht an, mit seinem leichten orientalischen Einfluß, obwohl niemand wußte, woher er kam. Es war eigentlich nur die Dicke der Augenlider, aber mit den breiten Wangenknochen, dem Rosenmund sah sie aus wie eine Geisha. Wie immer war sie elegant gekleidet. Goldene Ohrringe. Eine Bluse aus rosafarbener Seide, ein dunkelblauer Faltenrock, niedrige Absätze.
Als sie nur noch drei Meter von ihm entfernt war, schaute sie endlich auf, und da war es, das langsame, bezaubernde Lächeln, das sein Leben vollständig verändert hatte. Sie blieb stehen, schaute, ließ das Lächeln langsam intensiv genug werden, so daß es seine Wirkung auf ihn tun konnte. Und das tat es auch. Er erwiderte ihr Lächeln.
»Wie klein die Welt ist« – es waren die ersten Worte, die er zu ihr sagte, seit er ihr Haus verlassen hatte.
Natürlich würde sie ihn küssen, in den Arm nehmen. Aber nicht überschwenglich. Langsam und genießerisch. Ein alter, alter und sehr lieber Freund. »Du
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