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Der Deal

Der Deal

Titel: Der Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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Offiziell bist du wann nach Hause gekommen? So um neun, richtig? Aber unter uns …« Er sprach den Satz nicht zu Ende.
    »Die Polizei denkt, daß es Selbstmord war.«
    »Du hast die Polizei angerufen?«
    »Ich habe es zufällig gesehen, als ich heute nachmittag im Büro war. Die täglichen Polizeiberichte für die Zeitung, weißt du.«
    »Deshalb bist du ins Büro gefahren.«
    Cruz haßte diesen meckernden, verdrießlichen Ton. Aber dann merkte er, wie verletzt Jeffrey wirklich war.
    »Du hättest es mich wissen lassen können«, sagte Jeffrey und streichelte sein Gesicht. »Du erzählst mir nicht genug. Wir gehören zusammen«, sagte er, »wir teilen.«
    »Aber wir teilen doch«, sagte Cruz. »Ich möchte teilen.«
    Jeffrey stand auf und ging nackt zum Fenster. »Und du willst, daß ich sage, wir haben Ed hier nie gesehen?«
    »Es fragt wahrscheinlich sowieso keiner danach. Ich will nur sichergehen.«
    Jeffrey wandte sich wieder zu ihm um. »Ich denke, ehrlich zu sein ist das Beste, Arturo. Wenn du anfängst, Lügen zu erzählen, verfängst du dich in ihnen. Du kannst sogar vergessen, was die wirkliche Wahrheit ist.«
    »Jeffrey, ich stimme dir zu. Ich merke es gerade selbst. Ich habe nur der Polizei bereits gesagt, daß ich Ed nicht gekannt habe. Wenn wir uns einigen – bei dieser einen Sache –, werden wir bei nichts anderem lügen.«
    Jeffrey setzte sich wieder auf das Bett. »Versprochen?« »Versprochen.«

    Wie konnte er erwarten, daß Jeffrey es verstehen würde? Er saß unten auf dem mit Brokat geschmückten Sofa vor dem Kamin. Der Wodka, der mal eisgekühlt gewesen war, stand fast unangerührt da und war jetzt warm geworden. Durch die dünnen Vorhänge drang Licht von der Straße ins Wohnzimmer, genug, daß man die vertrauten Umrisse erkennen konnte, den Kronleuchter über dem dreieinhalb Meter langen Marmortisch, die beiden gemeißelten Marmorsäulen, die den Kamin säumten, das Eisbärfell zu seinen Füßen, die drei Original-Gorman-Werke an der Wand ganz hinten, die er, lange bevor dessen Kacheln in jeder westlichen Boutique zu haben waren, erworben hatte.
    In der Stille des Hauses machte Cruz eine Bestandsaufnahme dessen, was er erreicht hatte. Er hatte immer noch das Gefühl, daß es das wert war. Eigentlich war es noch nicht vollkommen. Das Zimmer wurde allmählich ein bißchen zu klein, das Haus ein wenig abgenutzt. Er war bereit, höher zu steigen.
    Denk daran, sagte er. Bequemlichkeit bedeutet Stillstand. Mehr zu wollen, war der Schlüssel. Behalte diesen scharfen Blick. Sich nicht zu vergrößern bedeutet, sich zu verkleinern.
    Ein Auto mühte sich den steilen Hügel hinauf, und einen Moment später hörte Cruz den weichen Aufprall der Sonntagszeitung auf seiner Zufahrt. Schon wieder Morgen, die dunkelste Stunde vor der Dämmerung, bevor das Schwarz begann, grau zu werden.
    Nein, es war für Jeffrey unmöglich, ihn zu verstehen. Jeffrey war nicht so aufgewachsen wie er. Cruz mußte sich nicht mal anstrengen, um sich daran zu erinnern: Es war immer präsent. Als er in Jeffreys Alter gewesen war …
    Er begann schon, wie ein alter Mann zu denken, sich wie sein Vater anzuhören, wenn der von seinem Leben als Tagelöhner sprach. »Ich war immer um drei Uhr auf, Turo, um auf den Feldern zu arbeiten, bevor die Sonne zu heiß wurde.« Na ja, Cruz senior hatte sich auch abgemüht, nur die Felder waren andere gewesen.
    Nein, Jeffrey würde niemals verstehen können, was es hieß, Mexikaner, arm und schwul zu sein. Und er – Cruz – würde nie wieder arm sein.
    Selbst heutzutage, in San Francisco, wo die Heteros Witze über ihren Minoritätenstatus machten, war man als Homosexueller in der Gemeinde der Lateinamerikaner ein Aussätziger. Die Machos hatten immer noch das Sagen – Cruz wußte, daß sich das in seinem Leben nicht ändern würde. Alle ein, zwei Wochen stieß er auf eine Geschichte über eine der Banden aus Mission oder erfuhr, daß wieder irgendein armer Homo verprügelt, verstümmelt oder getötet worden war. Vor langer Zeit hatte er entschieden, diese Geschichten nicht zu drucken. Die Leute wollten sie nicht lesen, es waren keine Neuigkeiten – was diesen Pervertidos geschah, war unwichtig, wenigstens für La gente , für seine werbenden Kunden und Leser.
    Cruz hatte seine Lektionen gelernt. Niemand konnte jemals über ihn Bescheid wissen. Seine Eltern waren gestorben, ohne daß sie den geringsten Verdacht geschöpft hatten. Zumindest hatte seine Mutter nie damit aufgehört, ihm

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