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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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ein und wachte Tage oder Sekunden später wieder auf. Er beobachtete, wie die Studenten kamen und gingen, und sie gingen alle leicht wie auf Katzenpfoten oder schwebten vor seinen Augen dahin wie der Rausgeschossene Sittencop.
    Allmählich nahmen die Dinge wieder ihre vertraute Gestalt an, aber in ihm blieb ein Rest dieser ungewohnten Energie. Bis zu diesem Zeitpunkt seines Lebens war er wirklich ein totaler Versager gewesen, dachte er. Er wurde von keinem einzigen Menschen auf der Welt geliebt, dachte er, und in zweiundvierzig Jahren hatte es keinen einzigen Moment gegeben, auf den er besonders stolz sein konnte. Und inzwischen schlug seine Lebensuhr erschreckend schnell seinem letzten Feierabend entgegen.
    Er faßte, aus welchem Grund immer, den Entschluß, ein einziges Mal in seinem Leben nur um ihrer selbst willen nach einer Antwort zu suchen. Und er würde das Ziel erreichen, auch wenn er dafür über sich selbst hinauswachsen müßte. Ihm wurde ebenso klar, daß das Leben zwar oft genug nur eine Räuberpistole ist, daß aber erstens wohl kaum jemand von sich aus zu ihm kommen und gestehen würde, er sei der Mann, den er suchte, und daß er zweitens ohne ein solches Schuldgeständnis auch nicht die geringste Chance hatte, einen Haftbefehl zu kriegen oder gar eine Verurteilung zu erreichen.
    Tief in seiner Seele schien er, zum allerersten Mal in seinem Leben, das dringende Bedürfnis zu spüren, wirklich die ganze Wahrheit zu erfahren. Die Wahrheit um ihrer selbst willen.
    Als er aufstehen wollte, fuhr ihm blitzartig ein heftiger Schmerz vom Rücken direkt ins Bein bis zum Knie. Er ging die ersten Schritte wie ein Affe, bis sein Rücken es ihm erlaubte, wie ein Mensch zu gehen.
    Er hielt es für einen ziemlichen Treppenwitz, daß ihm beim Betreten der Millikan-Bibliothek ausgerechnet der Mann in dem Nadelstreifenanzug begegnete. Selbst am Wochenende trug Professor Richard Feldman Anzug und Krawatte. Er war ein kultivierter und elegant gekleideter Mann. Nichts an ihm erinnerte an die Wissenschaftler, die der Detective in der Kellerbar erlebt hatte. Nichts erinnerte an Ignacio Mendoza.
    Er mußte natürlich feststellen, daß die gutgeformten Hände Professor Feldmans unverletzt waren. Er hätte viel darum gegeben, wenn ein anderer Wissenschaftler in die Bibliothek gekommen wäre, ein Mann, dessen linke Hand verbunden war, weil er in der Nacht zuvor auf roh verputzte Mauern eingeschlagen hatte.
    Die Bibliothek war an Wochenenden nur für Lehrkräfte und Studenten geöffnet. Ein Student machte Dienst und mußte die Ausweise der Besucher prüfen, und er war sehr beeindruckt, als der Detective ihm seine Dienstmarke zeigte. Anschließend gab der Junge sich alle Mühe, das zu finden, was der Detective lesen wollte.
    Mario Villalobos las alles, was er kriegen konnte, über den Nobelpreis. Er las ältere Caltech-Journale mit Berichten über die Feierlichkeiten in der Stockholmer Konzerthalle. Das ganze Land schien jeweils sämtliche anderen Aktivitäten einzustellen, nur um die Nobelpreisträger würdig feiern zu können. Der Detective konzentrierte sich in erster Linie auf die Storys über amerikanische Chemiker, die zu den Feierlichkeiten nach Schweden gereist waren, und das waren viele. Er entdeckte Fotos mehrerer Caltech-Leute mit Frack und weißer Schleife in der Stockholmer Konzerthalle, bei einem gesellschaftlichen Großereignis, das üblicherweise zehn Jahre im voraus ausverkauft war.
    Er stellte fest, daß die meisten Chemiepreise an Amerikaner verliehen worden waren, und er las, daß eine Reihe anderer Nationen mit massiven Beschwerden Druck auf das Komitee auszuüben und die amerikanische Erfolgsserie bei der Jagd nach immer neuen Preisen zu stoppen versucht hatten. Und daß einige Wissenschaftler glaubten, Japan habe bei der Ausübung von nationalem Druck kürzlich Erfolg gehabt.
    Einer der Artikel, dem eine Karte von Schweden beigefügt war, berichtete über die Informationsrundreise einer Gruppe von Wissenschaftlern der Universitäten Caltech, Stanford und Harvard. Die Rundreise hatte während der Nobelfeierlichkeiten 1981 stattgefunden, nur wenige Wochen nachdem ein sowjetisches Unterseeboot in der Nähe der Marinebasis Karlskrona auf Grund gelaufen war und die Nation geschockt hatte.
    Der Detective sah sich die Karte an und stellte sich vor, was die schwedische Marine in Karlskrona Auge in Auge mit dem sowjetischen Koloß, direkt gegenüber auf der anderen Seite der Ostsee bei Kaliningrad, eigentlich

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