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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Fragen nicht gefällt. Sehen wir uns statt dessen den Verlauf der Aktion an. Sie hat also begonnen, und alles läuft so, wie wir es uns vorgestellt haben. Rein zufällig taucht ein pflichtbewußter Polizeibeamter in der Tür auf und hält eine SIG/Sauer im Anschlag. Diese Komplikation lösen wir. Das heißt, ich löse sie, indem ich den Mann entwaffne, damit wir mit der Arbeit fortfahren können. Dann taucht so ein Irrer am hinteren Ende des Kassenraums auf und fängt an, auf Bankkunden zu schießen.
    Wir werden morgen ja in den Zeitungen sehen können, ob man dafür ihn oder uns verantwortlich macht oder ob irgend jemand oder mehrere Leute gestorben sind. Tatsache bleibt aber, daß der Wachmann der Bank mehrere Kunden traf, und das müssen sowohl Monika wie Werner beobachtet haben.«
    Carl wurde plötzlich am ganzen Körper eiskalt. Hatte er ihre richtigen Namen genannt? Doch, er hatte. Monika Reinholdt nannte sich Monika Schramm. Und Werner Porthun hatte sich als Werner vorgestellt.
    »Also«, fuhr er nach seiner scheinbar unmotivierten Pause fort, »wir hatten plötzlich einen Irren auf dem Hals. Ich habe ihn erschossen. Unsere Verluste beschränken sich damit auf einen Leichtverwundeten. Die Aktion konnte zu Ende gebracht werden. Und jetzt sitzen wir hier. Uns ist zwar viel mehr dazwischengekommen, als zu erwarten war, aber wir hatten Glück und wurden mit der Situation fertig. Das ist alles.«
    »Noch nicht ganz. Ich will immer noch wissen, warum du das Schwein nicht erschossen hast, wenn du tatsächlich so sicher warst, daß es ein Bulle war«, wandte Eva Sybille Arndt-Frenzel ein. In diesem Moment ging Carl auf, daß er sie bisher nur ein einziges Mal hatte lächeln sehen. Er entschloß sich, seine Wut nicht mehr sonderlich zu zügeln.
    »Das darf doch wohl nicht wahr sein«, sagte er mit etwas lauterer Stimme, »daß ihr eine solche Lust darauf habt, Leute umzubringen. Das ist eine falsche Politik, und ich teile eure Auffassung nicht. Dieser Bulle ist für mich kein größerer persönlicher Feind als irgendein anderer beliebiger Beamter. Wir haben die Absicht verfolgt, für Zwecke, an die wir glauben, eine bestimmte Summe aufzubringen, und nicht, kleine Leute zu ermorden. Außerdem könnt ihr das Ganze auch etwas praktischer und als Propaganda sehen, wenn ihr für einen Augenblick mal euren Blutdurst vergeßt. Polizeibeamte in der ganzen Welt haben eine unangenehme Neigung, Morde an Kollegen übermäßig zu dramatisieren, nicht wahr? Im Grunde wäre es ihre Pflicht, Bankräuber mit dem gleichen Eifer zu jagen. Wenn wir aber einen Bullen umlegen, lassen sie alle anderen Fälle stehen und liegen, um uns zu fassen. Es ist unpraktisch, in operativer Hinsicht sogar völlig falsch, ein solches Interesse der Polizei auf sich zu ziehen. Außerdem haben wir einen glaubwürdigen Zeugen dafür, daß es der Wachmann war und nicht wir, der die Kunden in der Bank niedergeschossen hat. Für euch macht es vielleicht keinen Unterschied, aber das werden wir in den Zeitungen lesen. Und jetzt schlage ich vor, daß wir die Diskussion fortführen.«
    »Der Meinung bin ich auch«, sagte Martin Beer, »denn ich verstehe wirklich nicht, Genossen, warum ihr so jammert. Das Unternehmen ist gut ausgegangen, und das ist Carls Verdienst.
    Das ist eine objektive Tatsache, um die ihr nicht herumkommt.
    Mal ehrlich: Wenn ich oder Friederike diesmal das schlechteste Los gezogen und dort gestanden hätte, wo Carl stand… Ich meine, Hand aufs Herz, Friederike: Wie viele Polizisten hast du bisher eigenhändig niedergeschlagen? Meine Analyse steht so gut wie fest. Carl bedeutet für uns eine Verstärkung, eine unglaubliche Verstärkung. Wenn er nicht dabeigewesen wäre, hätten wir jetzt drei Genossen weniger. Das ist doch offenkundig.«
    Eine Weile wurde es still am Tisch. Sie warteten offensichtlich darauf, daß Friederike Kunkel wieder die Initiative übernahm, aber sie kämpfte kurz mit einer kaum wahrnehmbaren Unsicherheit, bis sie sich in eine Detailfrage flüchtete.
    »Was hast du mit seiner Waffe gemacht?« fragte sie Carl.
    »Ich riß das Magazin heraus und warf es zum anderen Ende des Kassenraums. Dann gab ich ihm seine Pistole zurück, bevor wir verschwanden.«
    »Warum das denn? Du hast doch wohl gesehen, daß Monika die Maschinenpistole des Wachmanns mitnahm?«
    »Natürlich. Wenn ihr unbedingt mit Beweismaterial in den Händen herumlaufen wollt, ist das eure Sache. Aus meiner Sicht war diese Polizeipistole wertlos. Wen auch immer

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