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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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man mit dieser Waffe erwischt hätte, er würde nicht nur wegen unerlaubten Waffenbesitzes und Hehlerei verurteilt werden, was vergleichsweise Kleinigkeiten sind, sondern auch wegen Bankraubs. Völlig überflüssig. So arbeite ich nicht. Ich kann euch in diesem Punkt wirklich nicht verstehen, und im übrigen könnte ich jetzt einen neuen Revolver gebrauchen. Das heißt natürlich nur dann, wenn ihr mir eine Waffe beschaffen könnt, die bisher noch nicht für einen Mord oder einen Banküberfall verwendet worden ist.«
    »Wir sollten eine Pause einlegen. Ich schlage vor, daß wir die Diskussion vertagen, bis wir abgewaschen haben«, sagte Friederike Kunkel.
    Für das Kochen und das Abwaschen hatten sie einen rotierenden Dienstplan festgelegt. Wie in einer schwedischen Großfamilie in den sechziger Jahren, dachte Carl.
    Martin Beer hatte frei. Er ging mit Carl in das große Wohnzimmer und machte Feuer im Kamin. Carl ging ins Obergeschoß und schob eine Kassette mit einem Streichquartett von Mozart ein und stellte die Stereoanlage auf die Lautsprecher im Untergeschoß um. Als er wieder hinunterging, hatte Martin Beer das Kaminfeuer in Gang gebracht und zwei Gläser Cognac auf den Tisch gestellt.
    »Ich nehme an, es ist der Druck«, sagte er nachdenklich, während er langsam das Glas hob, um Carl zuzutrinken. »Wir leben ja unter ständigem Druck, und das führt leicht dazu, daß man nervös wird und aus jeder Mücke einen Elefanten macht… Na ja, du mußt mit einigen Genossen einfach nachsichtig sein. Sie meinen es nicht böse. Was mich betrifft, so bin ich froh, daß wir uns kennengelernt haben. Prost!«
    »Guter Cognac. Was für eine Marke?«
    »Remy Martin. Ein Geschenk französischer Genossen.«
    »Die europäischen Terroristen haben einen überraschend guten Geschmack. Es vergeht kein Tag, an dem man nicht über euch staunt.«
    »Findest du es kleinbürgerlich und reaktionär, guten Cognac zu trinken?«
    »Durchaus nicht, aber ich hatte euch eher für körnerfressende Fanatiker mit runden Nickelbrillen gehalten. Na ja, du weißt schon.«
    »Aha. Und lange Haare, Arbeiterlatschen und grüne Jacken?«
    »Ja, etwa so. Außerdem habe ich euch nicht für so kompetent gehalten. Aber heute wart ihr gut, wirklich gut. Du hast den Wagen perfekt gefahren, ganz ruhig, hast die Verkehrszeichen beachtet. Es gab nichts auszusetzen. Und Monika und Werner gerieten trotz aller Zwischenfälle nicht in Panik. Das hat mir wirklich imponiert.«
    »Du hast, gelinde gesagt, auch keine schlechte Arbeit geleistet.«
    »Möglich, aber das ist etwas anderes. Im Vergleich zu euch bin ich Profi. Der kapitalistische Staat hat mir in der Kunst, die Demokratie zu verteidigen, alles Nötige beigebracht. Allerdings gefällt mir dieses Gequatsche nicht, ich hätte den Polizisten ermorden sollen. Hättest du es getan?«
    »Ja, ich hätte es zumindest versucht.«
    »Und weshalb?«
    »Weil es am sichersten gewesen wäre. Wenn ich so gestanden hätte wie du, als er hereinstürmte, hätte ich ihn zunächst durch den Körper geschossen, dann durch den Kopf. Aber nicht aus den Gründen, die du vielleicht vermutest, sondern weil es am sichersten gewesen wäre. Ich beherrsche deine Zirkus-Kunststücke nicht, das ist der Unterschied. Wir befinden uns im Krieg, und es geht ums Überleben. Wenn ich nicht schieße, schießt er. So einfach ist das.«
    »Hast du schon mal einen Menschen getötet?«
    »Ja, zweimal. Und du?«
    »Nein. Das gehört nicht zu meinem Arbeitsstil. Ich transferiere Kapital an die Unterdrückten, aber ich würde nie einen unschuldigen Menschen töten.«
    »Es gibt keine unschuldigen Menschen, Carl. Das ist Humanitätsduselei.
    Ist ein Mann mittleren Alters in Uniform schuldig, während ein junger Mann ohne Uniform unschuldig ist? Was soll eigentlich diese merkwürdige Einteilung von Menschen in Kategorien? Ist nicht ein Menschenleben ein Menschenleben? Außerdem hast du den Wachmann niedergeschossen.
    Der könnte jetzt genausogut tot sein. Was du sagst, ist also nicht stichhaltig.«
    »Doch. Ich schoß, um ihn zu entwaffnen, und absolut nicht, um ihn zu töten.«
    »Bist du da so sicher?«
    »Ja. Auf die Entfernung hätte ich ihm zwischen die Augen schießen können. Es waren sieben Meter, und ich hatte freies Schußfeld, also überhaupt kein Problem.«
    »Du bist ja verrückt. Der zartbesaitete Terrorist, das wäre etwas für die BILD-Zeitung.«
    »Wirst du bei der nächsten Aktion dabeisein?«
    »Nein. Eva Sybille geht an meiner Stelle

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