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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Tageszeitungen.
    Das Geld, das er angeblich in Zürich auf sein Konto einzahlen wollte, lag schon zusammen mit seinem Bericht im Schließfach des Hamburger Hauptbahnhofs. Er hatte sich entschlossen, nicht über den Beschluß zu spekulieren, der jetzt beim Verfassungsschutz getroffen werden mußte. Er hegte die leise Hoffnung, daß sie die Beute als ausreichend betrachten würden, daß sie vielleicht schon vor seiner Rückkehr zuschlagen würden, obwohl er gefordert hatte, vorab informiert zu werden.
    Trotzdem vermutete er, wenn auch widerwillig, daß sie die zweite Alternative wählen würden, nämlich die Ausweitung des Unternehmens Götterdämmerung auch auf das Kommando Siegfried Hausner.
    Er lenkte sich mit der Lektüre über den Banküberfall ab. Die Informationen waren verwirrend und widersprüchlich, obwohl sich die Presse einig war, daß die RAF wieder einmal zugeschlagen habe. Das Hamburger Abendblatt hielt sich am korrektesten an die Tatsachen. Die Zeitung betonte, der Schußwechsel sei vermutlich nicht durch die Bankräuber begonnen worden, sondern durch den von einem der Terroristen leicht verwundeten Wachmann. Der Bericht enthielt nicht eine erfundene Zeile und erging sich auch nicht in Spekulationen über irgendeinen Rambo-Räuber. Überdies beherrschte ein ganz anderes Ereignis die erste Seite: Ein deutscher Entwicklungshelfer war zusammen mit fünf anderen Menschen bei einem Hinterhalt der Contras in Nicaragua ermordet worden.
    BILD Hamburg war das genaue Gegenteil davon. Vor einem schwarzen Hintergrund auf der gesamten Titelseite leuchteten in Weiß die Schlagzeilen:
    DER RAMBO-RÄUBER HAT WIEDER ZUGESCHLAGEN FÜNF PERSONEN ANGESCHOSSEN BLUTBAD IN BANK Als einziges Bild schmückte die Titelseite ein Foto des blutverschmierten Marmorfußbodens im Kassenraum. Im Hintergrund sah man verschwommen einige Personen, die auf Tragbahren davongetragen wurden.
    Die Zeitung behauptete, der Rambo-Räuber sei diesmal mit einer Maschinenpistole bewaffnet gewesen und zusammen mit zwei Angehörigen des harten Kerns der RAF in Erscheinung getreten, die von der Polizei eindeutig identifiziert worden seien. Der Verfassungsschutz bestätige diese Version, behaupte aber, die Räuber hätten keinerlei Spuren hinterlassen. Als ein Polizist, der sich weigere, sich zu der Angelegenheit zu äußern, etwa gleichzeitig mit einem Wachmann im Kassenraum aufgetaucht sei, habe der Rambo-Räuber das Feuer auf die Kunden eröffnet, um die Aufmerksamkeit des Beamten abzulenken, bevor er dann eiskalt den Wachmann niedergeschossen und seine Maschinenpistole auf den Polizeibeamten gerichtet habe, der es in dieser Lage für richtig gehalten habe, aufzugeben. Der Wachmann sei um ein Haar dem Tod entronnen und habe vermutlich wohl nur das Glück gehabt, sich genau in dem Augenblick zu bewegen, in dem der Schuß auf ihn abgegeben wurde. So sei er mit dem Leben davongekommen.
    Da es nunmehr eine Tatsache sei, daß der Rambo-Räuber d essen Namen die Polizei aus fahndungstechnischen Gründen nicht nennen wolle (sie weigere sich sogar zu bestätigen, daß es sich überhaupt um den Rambo-Räuber handle, obwohl das doch ganz offenkundig sei) - sich den Terroristen angeschlossen habe, hätten sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Es stehe ein Blutbad bevor.
    Carl hörte schon bald auf zu lesen. Obwohl es im Grunde unverständlich war, daß der Rambo-Räuber nicht namentlich genannt wurde, schien das in der Darstellung der BILD-Zeitung völlig selbstverständlich zu sein. Das steigerte die Dramatik und die Rätselhaftigkeit, die den Gesuchten umgab. Es stellte sich die Frage, inwieweit das seine vermeintlichen Genossen im Kommando in der Breiten Straße mißtrauisch machen würde.
    Carl faltete die Zeitungen zusammen, steckte sie in die Ablage vor sich und versuchte, eine Weile aus dem Fenster zu schauen und an nichts zu denken. So weit das Auge reichte, war allerdings nur ein Wolkenmeer zu sehen.
    Monika kam ihm wieder in den Sinn. Sie erinnerte ihn an Tessie; wenn man nur ihr doppeldeutiges Lächeln etwas amerikanisierte und größer und breiter machte, wenn sie längere Haare gehabt hätte wie auf dem Fahndungsfoto, wenn…
    Ich darf nicht durchdrehen, wiederholte er im stillen.
    Der Martin Beer, den er sich beim Durchlesen des Fahndungsmaterials vorgestellt hatte, hatte sich in den zehn Tagen Hausarrest vor dem Banküberfall immer mehr verändert. Auf dem Fahndungsfoto sah Beer tückisch aus - das Bild mußte, Beers Kleidung und

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