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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Es regnete. Die Straße war fast menschenleer, und zu hören waren nur die Geräusche der Autoreifen auf dem nassen Asphalt. Carl fühlte sich leer. Er ließ sich die Straße hinuntertreiben, ohne an etwas zu denken.
    Es war die unfehlbar nichtlächelnde Eva Sybille, die auf sein Klingelsignal hin aufmachte.
    »Schön, daß du kommst. Wir haben dich schon erwartet«, sagte sie und kehrte sofort wieder in die Wohnung zurück, ohne weiter von ihm Notiz zu nehmen. Carl seufzte unbewußt auf vor Erleichterung.
    Im Wohnzimmer, vor dem Kamin, saß ein Mann, den er bisher nur auf einem schlechten Fahndungsfoto gesehen hatte, aber nun doch wiedererkannte. Von den anderen war niemand zu sehen.
    »Ich heiße Horst, willkommen«, sagte Horst Ludwig Hahn und lächelte angestrengt freundlich, als er Carl die Hand entgegenstreckte.
    Carl nahm die Hand und legte seine nasse Jacke über eine Sessellehne. Er setzte sich und versuchte so zu tun, als ob dieser Horst irgendein x-beliebiger Horst war.
    »Ich darf wohl annehmen«, sagte Carl, »daß du die Genossen kennst. Haben sie dir gesagt, wer ich bin?«
    »Ja, selbstverständlich. Wir sitzen doch alle im selben Boot.«
    »Da bin ich aber ganz anderer Meinung.«
    »Man hat mir schon gesagt, daß du deine kleinen Eigenheiten hast. Trotzdem werden wir gemeinsam einen Flug unternehmen, du, ich und noch einer. In zehn Stunden. Aber erst fahren wir ein Stück mit dem Auto. In zehn Minuten geht es los.«
    Carl stellte sich plötzlich eine Autofahrt zu einem dunklen Flußufer vor. Er hielt es für besser, gar nichts zu sagen, da die geheimnisvolle Ankündigung des Terroristen Horst Ludwig Hahn natürlich einer Erklärung bedurfte.
    »Wir fliegen von Wien nach Damaskus. Wir wollen bestimmtes Material beschaffen, und dazu brauchen wir deine Sachkenntnis.
    Deshalb mußt du mitfliegen. Wie gesagt, du, ich und ein weiterer Genosse.«
    »Warum zum Teufel sollte ich mich darauf einlassen?«
    »Weil wir deine Sachkenntnis brauchen.«
    »Das ist für mich nicht Grund genug.«
    »Die Beute beider Banküberfälle als Vergütung?«
    »Ja, das wäre zumindest ein Grund. Aber sagen wir lieber die Beute des Überfalls, den wir schon hinter uns haben. Dieses Geld ist vorhanden, das andere existiert nur in der Theorie.
    Außerdem sollten wir vielleicht mit neuen Überfällen warten. Der Lektüre von BILD und den anderen Zeitungen entnehme ich, daß die Öffentlichkeit ein wenig aufgeregt ist.«
    »Von mir aus in Ordnung.«
    »Es geht also um die RPG?«
    »Ja.«
    »Wo sollen wir uns die denn besorgen? Im Basar vielleicht?«
    »Mach dir deswegen keine Sorgen. Wir können die Ware beschaffen. Du sollst nur mitkommen, um sie zu prüfen, das ist alles.«
    »Und die Reisekosten?«
    »Übernehmen wir.«
    Carl schwieg eine Weile. Falls sie die Absicht hatten, ihn zu töten, so wäre dazu kein Ausflug nach Damaskus nötig. Der Köder RPG hatte offensichtlich seine Wirkung getan. Nach Lage der Dinge schien Carl ein weiterer Bankraub erspart zu bleiben. Aus fünf verhafteten Terroristen würden mindestens sieben werden. Es schien ein einfaches Geschäft zu sein.
    »Okay«, sagte er. »Ich will mich nur schnell duschen und umziehen. Ich gehe davon aus, daß wir keine Waffen mitnehmen.«
    »Völlig richtig«, sagte Horst Ludwig Hahn.
    Carl ging ins Obergeschoß, zog sich aus, stellte sich unter die Dusche und wusch sich das Haar. Dann rasierte er sich, wickelte sich ein Handtuch um die Taille und ging zu Monika ins Zimmer. Sie schlief. Er legte ihr die Hand auf die Stirn. Sie hatte kein Fieber mehr.

9
    Damaskus ist eine Märchenstadt, die in mehr als nur einer Hinsicht schwer zu erreichen ist. Der unerfahrene Reisende, der beispielsweise den Versuch unternimmt, mit dem Wagen nach Syrien zu kommen, gerät an der Grenze in ein heilloses Durcheinander: Er braucht mindestens fünf Stunden, um an mindestens fünf verschiedenen Stellen ebenso viele wahrhaft entscheidende Stempel zu erhalten, die für Devisenerklärungen, Versicherungen und Visa erforderlich sind. Endlos lange orientalische Schlangen und ein Gewimmel von Formularen sind zu bewältigen. Wer nicht Arabisch spricht, ist an den Grenzübergängen den Scharen schakalähnlicher Jobber ausgeliefert, die sich gegen Provisionen von bis zu 200 syrischen Pfund bereit erklären, durch das Labyrinth zu helfen.
    Der Flughafen von Damaskus ist leichter zu bewältigen, aber auch hier braucht man Erfahrung, Bestechungsgeld und eine stoische Geduld.
    Horst Ludwig Hahn besaß

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