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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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diese Eigenschaften. Er und seine Frau flogen mit hervorragend gefälschten Schweizer Pässen.
    Zwei schweizerische und einen gleichfalls neutralen schwedischen Touristen ins Land zu bringen, schaffte er in weniger als einer Stunde mit nicht einmal 300 Pfund Bakschisch.
    Er kannte sich im Nahen Osten offensichtlich aus.
    Sie waren früh in der Stadt, schon vor Sonnenuntergang. Die Luft war trocken und kühl. Hahn hatte im Sheraton Damaskus ein Zimmer gebucht, einem der schönsten Hotels des Vorderen Orients. Es wirkt wie eine Parodie auf ein Wüstenschloß der Omaijaden, und die Ausschmückung des Hotels weist den gleichen klassischen Stil auf: geometrische Sternen-Muster in Schwarz, weißer und roter Marmor, strenge, schwarze Eisengitter, große, klare Flächen.
    Es gehörte zur Tarnung der drei, als junge Geschäftsleute aus dem Westen aufzutreten. Sie waren gut gekleidet, ohne die Eleganz zu übertreiben, trugen das Haar kurzgeschnitten, waren höflich und das genaue Gegenteil von dem, wie man sich europäische Terroristen vorstellt. Die Wahl des Hotels schien da nur natürlich.
    Nachdem sie sich eingetragen hatten, trennten sie sich für einige Stunden. Horst Ludwig Hahn wollte ein paar Telefongespräche führen, sagte Carl allerdings nicht, mit wem. Sie verabredeten sich, in ein paar Stunden gemeinsam essen zu gehen.
    Carls Zimmer war in Schwarz, Rot und Gelbweiß gehalten, den Farben des syrischen Marmors. Das erschien ihm sehr durchdacht und unerhört ästhetisch, obwohl ihm der gebildete Horst Ludwig Hahn bislang nur einen Bruchteil seines offenbar grenzenlosen Wissens über muslimische Kunst und den Omaijaden-Stil offenbart hatte.
    Carl zog die Vorhänge vor dem Balkonfenster zur Seite und blickte auf die Stadt mit ihrem Lichtermeer auf den Hügeln.
    Damaskus liegt in einem auf allen Seiten von Bergen umschlossenen Kessel. Mit einemmal setzte der klagende Gesang der Muezzin auf den Minaretts in der Nähe ein, die bei Sonnenuntergang die Gläubigen zum Gebet rufen.
    Carl legte sich mit einem Bier, einem europäischen Bier, auf den Bettüberwurf mit dem Sternen-Muster und lauschte dem Singsang.
    Das Ehepaar Hahn war eine erstaunliche Bekanntschaft. Auf dem Foto links unten auf dem rotlila Fahndungsplakat sah Horst Ludwig Hahns Gesicht verzerrt und gehässig aus. Er hatte den Kopf gebeugt und den Blick gesenkt, um das Bild für Fahndungszwecke unbrauchbar zu machen. In Wahrheit war er ein immer zu Scherzen aufgelegter Mann, der unaufhörlich erzählte und zu allem Kommentare abgab; bevor er Terrorist geworden war, hatte er Kulturgeographie und Archäologie studiert. Er war zartgliedrig, und das einzige besondere Kennzeichen, das von ihm bekannt war, war eine ein Zentimenter lange waagerechte Narbe mitten auf der Stirn. Die war aber nur zu sehen, wenn man wußte, wo man suchen mußte.
    Carl hatte sie zunächst gar nicht bemerkt.
    Hahns neunundzwanzigjährige Frau Barbara war fast überirdisch schön. Das Fahndungsfoto, auf dem sie wie ein romantisches Märchenwesen aussah, wurde ihr nicht einmal zur Hälfte gerecht. Sie war klein, zierlich gewachsen, und ihre Stimme wirkte immer leicht heiser und verschleiert. Sie sprach langsam und ein wenig träumerisch.
    Mit anderen Worten: Diese gepflegten, sympathischen Menschen würden nirgendwo für Terroristen gehalten werden.
    Und das wußten sie offenbar auch selbst sehr genau, da sie völlig unbeschwert und selbstbewußt auftraten.
    Kurz vor dem Grenzübergang von der Bundesrepublik nach Österreich hatte Horst Ludwig Hahn sogar darüber gewitzelt, als Carl dieses Thema zur Sprache brachte. Es spiele keine große Rolle, daß man per Fahndungsplakat gesucht werde, meinte Hahn, denn die Leute erwarteten immer, daß sogenannte Terroristen böse und verbissen aussähen. Dieses Vorurteil der Allgemeinheit sei ihr wichtigster Schutz, und dafür hätten sie in erster Linie der Springer-Presse zu danken.
    Den größten Teil der Autofahrt hatte sie eine allgemeine Analyse der Entwicklung der westeuropäischen Linken seit dem Höhepunkt 1968 und während des nachfolgenden Niedergangs beschäftigt. Sie hatten Schweden und die Bundesrepublik verglichen und mehr Ähnlichkeiten gefunden, als sie zunächst vermutet hätten.
    In beiden Ländern hatten konservative kommunistische Parteien, die sich kaum von der Politik der dreißiger Jahre gelöst hatten, einen Teil der linksgerichteten Jugend absorbiert.
    Viele junge Leute glaubten immer noch, eine traditionelle Linkspartei könne

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