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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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dann einen völlig überflüssigen Satz nach, bevor ihm aufging, was er eigentlich hätte einwenden müssen: »Und es ist ja ganz offenkundig, daß es bei dieser Operation auch um genuine schwedische Interessen gehen könnte. Sie werden sicher verstehen, daß auch wir gewisse Schwierigkeiten haben, einen solchen weißen Raben zu finden, sonst würde ich keinen Augenblick zögern und mein Bestes tun, um Ihrem Verlangen zu entsprechen.«
    Dieser letzte Satz war ein entscheidender Verhandlungsfehler. Wenn man sich auf praktische Schwierigkeiten beruft, müssen sie stichhaltig sein, sonst sitzt man in der Falle und hat eine Zusage gemacht. Und so wie sich Näslund später an die Besprechung erinnerte, glaubte er, im Gesicht des ranghöheren Deutschen gerade in diesem Moment ein schmales, hastiges Lächeln zu bemerken, das sofort wieder verschwand, etwa wie bei einem Filmvampir, der schnell die Eckzähne einzieht. Die Entscheidung folgte in Form eines Fernschreibens, das der Deutsche langsam über die gemaserte Tischplatte aus Birkenholz zu Näslund hinüberschob.
    »Dies sind Angaben, die wir von unserem Nachrichtendienst erhalten haben. Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was hier über diesen Coq Rouge gesagt wird, sieht es so aus, als hätten wir unseren Mann gefunden, nicht wahr, Herr Näslund?«
    Er brauchte nur einen kurzen Blick auf das Papier zu werfen, um einzusehen, daß die Deutschen recht hatten. Carl Gustaf Gilbert Hamilton war in Näslunds Augen zwar ein außerordentlich unsympathischer und unzuverlässiger Zeitgenosse, aber es ließ sich kaum leugnen, daß eben dieser Hamilton die Erwartungen der Deutschen in jeder Hinsicht erfüllte.
    »Ja, das stimmt«, sagte Näslund resigniert, »dieser Mann besitzt einzigartige Qualifikationen, das muß ich zugeben. Gleichzeitig tauchen hier ein paar bürokratische Probleme auf, die sich wohl nur schwer werden lösen lassen.«
    »Und die wären?« fragte der ranghöhere Deutsche kalt. »Nun ja… diese Person befindet sich im Augenblick in einer bestimmten militärischen Ausbildung und ist von uns beurlaubt. Das heißt, wir müssen uns der Mitarbeit der Streitkräfte versichern.«
    Näslund spürte, daß er plötzlich anfing, in Rätseln zu sprechen.
    Er hielt inne, um dem Dolmetscher zuzuhören, der seinen Einwand etwas präziser auszudrücken schien. Die beiden Deutschen schienen sein Argument aber dennoch als so gut wie bedeutungslos anzusehen. Wenn sowohl nationale Interessen als auch bewährte Formen der Zusammenarbeit zweier befreundeter Staaten berührt seien, könnten die schwedischen Streitkräfte wohl kaum Einwände erheben?
    Nein, das mußte Näslund widerwillig eingestehen. Nein, die Streitkräfte würden wohl keine Einwände erheben. Fünf Minuten später hatte Näslund endgültig versprochen, sich nach Kräften dafür einzusetzen, daß der schwedische Geheimdienstmann in die Bundesrepublik kam, um persönlich zu dem Vorschlag Stellung zu nehmen. Weitere zehn Minuten später hielt er einen Umschlag mit den notwendigen Anweisungen für das erste Zusammentreffen in Bonn - wer, wann, wo - in der Hand, den er Hamilton persönlich übergeben sollte.
    Die beiden Deutschen verabschiedeten sich, sichtlich zufrieden.
    Damit war Henrik P. Näslund allein mit dem Chef der Terrorismus-Abteilung. Er fuhr sich mit dem Kamm ein paarmal energisch über die Schläfen.
    »Dieser Hamilton, von dem sie sprachen, ist das dieser bewußte…?« wollte Christian Kallen wissen, der die Telex-Kopie der Deutschen noch nicht gesehen hatte. Kallen war der Nachfolger von Axel Folkesson, der etwa vor einem Jahr ermordet worden war.
    »Allerdings«, seufzte Näslund, »natürlich ist er das, wer denn sonst.«
    »Wenn ich aber richtig informiert bin, hat er vier israelische Operateure ganz allein getötet, ich meine, dieses ganze Gewäsch von unserer neuen Sondereinheit und all der andere Scheiß, der in den Zeitungen stand, das war doch wohl nichts weiter als ein Nebelvorhang. Er hat es doch allein getan, oder?«
    Christian Kallens Unsicherheit rührte davon her, daß die ganze Angelegenheit mit dem grünen Stempel Streng geheim versehen worden war. Das hatte natürlich zu zahlreichen Gerüchten geführt, aber Gerüchte sind nun mal Gerüchte, und jetzt bekam Kallen plötzlich die Chance, Genaueres zu erfahren.
    »Schon richtig«, seufzte Näslund erneut, »und wenn wir ihn damals nicht gestoppt hätten, fürchte ich, wäre alles nur noch schlimmer geworden. Ein verteufelt unangenehmer

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