Der demokratische Terrorist
Typ, dieser Hamilton.«
»Das hört sich aber nicht so an, als würdest du seine Qualifikation anzweifeln?«
Näslund betrachtete seinen Untergebenen. Er war sich nicht sicher, ob er da eine ironische Untertreibung herausgehört hatte.
Der neue Chef der Terrorismus-Abteilung hielt ihm jedoch ein vollkommen ausdrucksloses, fragendes Gesicht entgegen.
»Nein, ganz und gar nicht«, erwiderte Näslund, trat ans Fenster und blickte auf den düsteren Dezembermorgen hinaus. Draußen fiel schwerer, dicker Schnee.
Näslund zufolge war Hamilton nichts weiter als eine elende Erfindung der Militärs, ein beim schwedischen Sicherheitsdienst total überflüssiges Phänomen. Und der militärische Nachrichtendienst, auf dessen Rechnung Hamilton erschaffen worden war - oder wie immer man es nennen sollte-, wollte ihn ja offensichtlich auch nicht haben, aus welchem Grund auch immer, möglicherweise sogar wegen seiner politischen Vergangenheit. Waren die beim Verteidigungsstab wirklich so dämlich?
»Wenn er aber die Qualifikation besitzt«, fuhr Kallen fort, »brauchen wir ihn den Deutschen doch nur als Weihnachtsgeschenk zu geben. Denn es läßt sich doch wirklich nicht leugnen, daß diesmal sie es sind, die uns um etwas bitten.«
Die Bemerkung stand einen Moment im Raum. Kallen konnte das Unbehagen seines Chefs nicht verstehen. Kallens Vorgänger war ermordet worden. Und offensichtlich war es dieser Hamilton gewesen, der die Mörder mehr oder weniger auf eigene Faust aufgespürt und sie danach bei einer bewaffneten Konfrontation getötet hatte.
»Es ist einfach nur so, daß ich den Kerl nicht mag«, knurrte Näslund, der noch immer am Fenster stand und in den Schneeregen hinausblickte. »Er ist eine Mordmaschine. Irgendwo in den USA ausgebildet, ich kenne nicht mal die Details.
Das war so ein verfluchter Einfall des Alten.«
»Des Alten, welcher Alte?«
»Das ist der Mann, der früher die operative Seite des militärischen Nachrichtendienstes unter sich hatte. Er hatte vor, auf der militärischen Seite so etwas wie eine neue Garde von Agenten aufzubauen. Irgend etwas ging schief, warum weiß ich nicht, und dann hatten wir Hamilton plötzlich am Hals.«
»Offengestanden, ich verstehe nicht, was du meinst.« Kallen zögerte, bevor er fortfuhr. Näslund war nicht gerade als toleranter Chef bekannt, der Einwendungen zu schätzen wußte.
Kallen hatte sich aber von seiner Neugier überrumpeln lassen, und wer A sagt, muß auch B sagen. Er holte tief Luft, bevor er wieder ansetzte: »Ich meine… wenn Hamilton nicht eingegriffen hätte… hätten wir dann überhaupt diese Israelis erwischt, die Folkesson erschossen haben?«
»Nein«, erwiderte Näslund ruhig, während er sich umdrehte und Kallen offen in die Augen blickte, »das hätten wir nicht geschafft, und wenn es uns wider Erwarten gelungen wäre, hätte das bei uns vermutlich zu weiteren Verlusten geführt. Das ist jedoch nicht das Problem. Es ist einfach nur so, daß solche Figuren bei den Militärs vielleicht ganz in Ordnung sind, aber nicht bei uns, denn hier machen sie nur Ärger. Ich will damit sagen, daß es nicht so ganz leicht sein wird, diesen Werwolf zu stoppen, wie unsere geschätzten deutschen Kollegen vielleicht glauben.«
Es wurde wieder still im Raum, und Näslund blickte wieder unentschlossen zum Fenster hinaus. Er erwartete keinen weiteren Kommentar seines obersten Terroristenbekämpfers. Allerdings konnte er die Besprechung auch nicht beenden, ohne zu irgendeinem konkreten Beschluß zu kommen. Zu welcher Entscheidung er in dieser Lage auch kam, sie würde garantiert unangenehme Folgen haben. Aber dann - zunächst glaubte er, sich verhört zu haben, doch als er herumwirbelte, stand der stellvertretende Polizeipräsident Christian Kallen tatsächlich mitten im Zimmer und lachte. Es war ein ersticktes Lachen, das aber gleichwohl klar und deutlich zu hören war.
»Was ist so verteufelt lustig daran?« fragte Näslund mit merklich verhaltener Kälte in der Stimme.
»Denk doch mal nach. Wir haben uns anderthalb Stunden lang eine gelinde gesagt komplizierte Darlegung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland angehört, dazu noch etwas über demokratische Garantien und komplizierte Gesetze und weiß der Himmel was sonst noch. Und dann? Nach einem Wust von Juristerei und Paragraphen, nachdem wir eine Woche in den Gesetzbüchern hin und her geblättert haben, endet das Ganze damit, daß ein Staat in gut demokratischer Manier einen Killer mietet. Du
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