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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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könne.
    Sonst gebe es keine Probleme. Carl brauche nur nach Deutschland zu fliegen und sich anzuhören, was die Kollegen zu sagen hätten, und nein danke zu sagen, wenn deren vorgeschlagene Tarnung nicht gut genug sei, wovon man fast ausgehen könne.
    Sie hatten sich den Nachtisch geschenkt und saßen jetzt vor ihrem Kaffee. Carl hatte dem Alten einen Cognac aufgedrängt.
    Carl hatte noch etwas auf dem Herzen: Die Frage, wie man eine bestimmte Zahl von Millionen an persönlichem Vermögen versteuern solle. »Du bist zwar alter Sozialist, aber was würdest du an meiner Stelle tun?«
    Während Carl unter Mühen versuchte, sein moralisches Problem darzulegen, blickte er in seine Kaffeetasse, in die er nur ein Stück Zucker gelegt hatte, das von dem rotierenden Löffel schon längst zermahlen sein mußte. Hätte er dem Alten ins Gesicht geblickt, hätte er zu seinem Erstaunen gesehen, wie es in den Augen des alten Spionagechefs vor Vergnügen fast zu glitzern begann.
    »Also«, sagte der Alte, nachdem Carl sich seine Skrupel von der Seele gemurmelt hatte, »was willst du als erstes hören? Die formelle Entschuldigung sowie die Erklärung, was dir die Amtspflicht abverlangt? Oder meine Meinung über die moralische Seite der Angelegenheit?«
    »Bitte erst die Entschuldigung.«
    »Nun, da liegen die Dinge so: Es ist doch hervorragend, daß jeder Versuch, sich im nächsten Jahr über deine Vermögensverhältnisse zu erkundigen, zu der Information führen wird, daß du keinerlei Vermögen hast. Solltest du dich etwa in einem halben Jahr in Gestalt eines abgesprungenen schwedischen Studenten mit Surfing-Vergangenheit in Kalifornien bei den Terroristen aufhalten oder unter irgendeinem anderen Vorwand, und es stellt sich heraus, daß du Millionär bist… nein, das wäre nicht so gut.«
    Carl tat den Einwand mit dem Hinweis ab, das setze voraus, daß aus dem deutschen Unternehmen etwas werde, was vermutlich nicht der Fall sei. Darin gab der Alte ihm recht.
    Was das moralische Problem aber angehe, unter uns Sozialisten, hatte der Alte einige Überraschungen parat. Bei der Auflösung des alten IB seien eine ganze Reihe der Grundstücke und Gebäude auf ihn, den Alten, persönlich überschrieben worden.
    Als wäre es eine Gratifikation des Staates, wurde daran auch später nichts geändert; der Alte hatte also ein steuerfreies Geschenk im Wert von gut drei Millionen Kronen erhalten.
    »Das Besteuerungsproblem bei Immobilien ist mir daher ziemlich vertraut. In manchen Jahren ist die Steuer beschämend niedrig ausgefallen, das muß ich zugeben, aber ich habe das in anderen Jahren durch Zahlung höherer Steuern auszugleichen versucht. Was hätte es aber für einen Sinn gehabt, mir alles wegsteuern zu lassen? Wäre die Welt davon gerechter und besser geworden?«
    Man müsse versuchen, die Dinge auch rein praktisch zu sehen, nicht nur moralisch, wozu Carl gelegentlich neige, gelinde gesagt sogar etwas übertrieben. Da sei beispielsweise die Frage der Gewerkschaft: »Wenn man wie ich sein ganzes Leben lang Sozi gewesen ist, ist man ja selbstverständlich auch für die Gewerkschaftsbewegung. Was meinst du wohl, welche Erfahrung ich mit der Gewerkschaft machen mußte? Wir haben es uns doch nicht so gedacht, daß es zu solchen Absurditäten wie etwa einer Offiziersgewerkschaft kommt, zu einem Recht auf feste Anstellung etwa beim Nachrichtendienst, etwas, was gerade bei unserem Thema peinlich naheliegen könnte. Ich erzähle dir lieber die Geschichte, die ich mit dem alten, ehrlichen Landarbeiterverband erlebt habe.«
    Unten in Kivik in Schonen wisse ja jeder, daß er, der Alte, vor seiner Pensionierung Spionagechef gewesen sei. Und jetzt harte er, wie alle anderen Eigentümer von Apfelplantagen in der Gegend, teuflische Probleme mit der Gewerkschaft. Zur Erntezeit kamen wie immer die polnischen Studenten nach Schonen, um schwarz zu arbeiten. Das war die einzige Methode, die Äpfel aus den Bäumen zu bekommen. Angesichts der schwedischen Löhne und Anstellungsgarantien auf Lebenszeit und der Krankenversicherungen und des Urlaubsanspruchs mit Lohnfortzahlung würden die Äpfel ganz einfach nicht von den Ästen herunterkommen, höchstens verfault.
    Folglich wurden die Äpfel von polnischen Studenten gepflückt, die man schwarz bezahlte. Das war ein glänzendes Geschäft für die Studenten, die das ersparte kleine Geldscheinbündel anschließend nach Hause schmuggelten, es auf dem Schwarzmarkt umtauschten und sich ihr Studium für mindestens

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