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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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solltest du den Versuch machen. Du hast noch weitere drei Monate mit fünfundzwanzigprozentigem Gehaltsabzug dienstfrei. Wenn du nach Hause kommst, richtet die Firma ein Schreiben an den Oberbefehlshaber, in dem wir diesen Idioten überfahren und deinen Übertritt zum Militär empfehlen.«
    »Kann ich dir morgen Bescheid geben?«
    »Ja.«
    »Können wir uns um 8.30 Uhr hier sehen?«
    »Sagen wir lieber 8.15 Uhr.«
    »Kannst du vorher mit den Deutschen Kontakt aufnehmen?«
    »Ja.«
    »Ich muß noch etwas über die Ausrüstung wissen, über das, was ich aus Schweden mitnehmen darf. Kleidung und technische Ausrüstung, kannst du das klären?«
    »Ja. Wir sehen uns morgen.«
     Er flüchtete sich wieder für mehrere Stunden zu seinen Waffen, um alles andere verdrängen zu können. Das vermittelte ihm das etwas unechte Gefühl, die Situation zu beherrschen.
    Gleichgültig, ob er mit seinem amerikanischen Revolver schoß, um langsam und kontrolliert mit Einzelschüssen zu treffen, oder seine italienische Pistole abfeuerte, um in sehr schnellen Serien mit zwei von drei Schüssen Treffer zu landen, immer war etwas da, was offenkundig richtig oder falsch war und sich sofort deuten ließ. In jeder Situation, in der er eine Waffe in der Hand hielt, gab es etwas vollkommen Richtiges und zugleich etwas völlig Falsches. Er hatte dieses Gefühl des Trostes noch nie so klar und unverfälscht erlebt wie gerade an diesem frühen Dezemberabend.
    Vom Schießstand in Djursholm fuhr er in die Stadt zurück und beschäftigte sich eine Zeitlang mit Waffenpflege. Er packte seine als Pilotenkoffer getarnte Waffentasche, in der ein ausgeklügeltes System von Plexiglasplatten in den Wänden jeden Flughafenkontrolleur bei der Durchleuchtung nur eine Kameratasche sehen ließ. Aber vermutlich würde Carl seine eigenen Waffen gar nicht mitnehmen können, da sowohl Revolver als auch die Pistole auf dem Kolben sein eingraviertes Familienwappen trugen, im schwarzen Schild drei rote Rosen und eine goldene Grafenkrone; das würde sich kaum mit der Identität in Einklang bringen lassen, die die Deutschen ihm geben wollten.
    Der Alte hatte ihn wie gewöhnlich in der Wohnung an der Grevgatan empfangen wollen. Carl hatte jedoch den alten Hausmannskost-Fanatiker zum Ausgehen überreden können und ihn durch den Dezembermatsch und die undurchdringliche Dunkelheit zum Ulriksdals Värdshus gefahren. Das Lokal erfreute sich seit ein paar Jahren eines Sterns im Guide Michelin, und die Preise waren doppelt so hoch wie in anderen Lokalen, so daß die Plastikkarten-Esser, die auf Kosten anderer aßen, sich hier eigentlich wie Pinguinschwärme auf einer arktischen Eisscholle hätten drängen müssen. Sie drängten sich jedoch durchaus nicht; das Restaurant wirkte leer.
    Sie saßen unten auf der Veranda in einer Ecke nahe der verschneiten Eingangstür. Carl hatte Elchfilet und einen 1981er Burgunder aus Chambertin bestellt, und dem Alten war es gelungen, sich zum Fleisch statt Gelee eingemachte Preiselbeeren zu bestellen. Die Kellner hatten sich Mühe gegeben, keine Miene zu verziehen. Der Alte hatte sich besorgt geäußert, Carl könne zuviel Wein trinken und so über der 0, 5-Promille-Grenze landen. Das war komisch und sehr schwedisch. Meist hatte der Alte für die Gesetze nichts als souveräne Verachtung übrig; sie waren in seinen Augen entweder unpraktische Hindernisse für die nachrichtendienstliche Tätigkeit oder unwichtige Bestimmungen, die nur für andere Instanzen der Gesellschaft galten. Er zitierte immer eine Weisheit seiner Großmutter aus Smäland - »Es gibt einen Unterschied zwischen den Gesetzen Gottes und den Verordnungen der Menschen« -, und diese freikirchlich geprägte smäländische Weisheit hatte der gesamten operativen Seite des militärischen Nachrichtendienstes in Schweden fünfundzwanzig Jahre lang den Stempel aufgedrückt; so lange war der Alte dessen Chef gewesen.
    Die beiden Männer besprachen alle Aspekte und Voraussetzungen der geplanten Aktion. Der Alte war von Anfang an und ohne zu zögern dafür, daß Carl nach Deutschland reiste, nicht so sehr, weil die Erfolgsaussichten glänzend zu sein schienen, sondern weil es gute Gründe für die Annahme gab, daß dieser verfluchte Näsberg (oder wie immer er heiße) dann endlich sein Versprechen einer Art security clearance halten werde, was Carls sofortige Übernahme durch das Militär ermöglichen werde, damit dieses peinlich lange Zwischenspiel bei den »Schupos« (der Sicherheitsdienst

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