Der demokratische Terrorist
schwarzen Müllsack gefunden. Damit hättest du sozusagen alle Fliegen mit einer Klappe geschlagen.«
»Nein, du hast vergessen, daß ich dich bei den Streitkräften sehen will. Und außerdem hoffe ich, daß die Operation erfolgreich verläuft.«
»Warum willst du mich eigentlich zum Nachrichtendienst abschieben? Fällt dir das jetzt nicht reichlich spät ein, nach vier Jahren hier in der Firma?«
Carl begann, sich unsicher zu fühlen. Er konnte Näslunds Gesicht hinter der Schreibtischlampe nicht sehen, und dessen Tonfall blieb die ganze Zeit unverändert ruhig. Das stimmte nicht mit Carls Bild von Näslund überein, den er als einen intriganten Hysteriker kannte, der beim geringsten Streß die Selbstkontrolle verlor.
Auf der anderen Seite des Raums saß Näslund und war allmählich davon überzeugt, daß das Ganze funktionieren würde.
Näslund war sich seiner Sache absolut sicher, als er die entscheidende Karte ausspielte.
»Weißt du, wer Oberstleutnant Lennart Borgström ist?« fragte Näslund im gleichen Tonfall wie zuvor.
»Ich glaube, ein nervöser Typ in der Sicherheitsabteilung des Verteidigungsstabes. Brille, oft unbeherrscht, Schweißperlen auf der Oberlippe.«
»Gar nicht so dumm, Hamilton, aber es ist sogar so, daß er der Chef des militärischen Abschirmdienstes ist. Sieh dir mal diese Papiere an, dann kannst du das Genie näher kennenlernen, das in meiner Position beim Militär sitzt. Weiß der Teufel - vielleicht würdest du am Ende nicht doch mir den Vorzug geben.«
Näslund hielt Carl etwa zwanzig mit »Geheim«-Stempeln versehene Din-A4-Blätter hin.
Zehn Minuten später hatte Näslund eine Position gewonnen, aus der heraus es ihm ohne jeden Zweifel gelingen würde, Carl ein überzeugendes Angebot zu machen.
Die Dokumente waren ein knappes Jahr alt. Ausgangspunkt war ein Brief des Alten an den Oberbefehlshaber der Streitkräfte, in dem der Alte unter Hinweis auf den Orden, den Carl auf Beschluß des früheren Ministerpräsidenten für »Tapferkeit im Felde« erhalten hatte, jetzt die Frage nach der Einrichtung einer neuen Planstelle in der Operationsabteilung 5 des Stabes aufwarf, genauer der Abteilung SSI, wie man das frühere IB des Alten umgetauft hatte. Der Oberbefehlshaber hatte dem Alten seine Zustimmung gegeben, die Angelegenheit zur weiteren Prüfung, aber routinemäßig der Sicherheitsabteilung des Stabes zur Kenntnis gegeben. Und dort war der Oberstleutnant des Abschirmdienstes in den Papierstapel geraten. Er hatte ein vier Seiten langes Memorandum über Carl zu Papier gebracht, in dem dieser als fanatischer Kommunist der schlimmsten Sorte beschrieben wurde, nämlich als Marxist-Leninist, der entweder bei der Clarté oder der KPMLr zu Hause sei. (Hier fuhr Carl sichtlich zusammen, denn die beiden Organisationen waren tief verfeindet und lagen ideologisch so weit auseinander, wie man bei der Linken überhaupt auseinanderliegen kann; ein Sicherheitschef, der nicht einmal das wußte, konnte von Feindaufklärung nicht viel halten.) Dem Memorandum zufolge hatte Carl vor seinem Wehrdienst einer Extremistengruppe angehört, die es sich in den Kopf gesetzt hätte, die Streitkräfte zu unterwandern. Der Umstand, daß Carl beim zivilen Sicherheitsdienst in operativer Hinsicht erfolgreich gewesen sei, spreche vor dem Hintergrund des oben Genannten dafür, daß er dort auch bleiben solle, daß man ihm bei den Streitkräften aber keine Planstelle mit qualifizierten Aufgaben anbieten dürfe, und zwar aus Sicherheitsgründen.
Damit hatte man die Angelegenheit vertagt. Der Oberbefehlshaber hatte bis auf weiteres darauf verzichtet, eine Entscheidung zu fällen, aber dieses »bis auf weiteres« dauerte jetzt schon mehr als ein Jahr.
»Ja, ja«, seufzte Carl, als er aufstand, quer durch den Raum ging, Näslund die Papiere auf den Schreibtisch legte, sich umdrehte und mit der gleichen Bewegung zu seinem Stuhl zurückging.
»Der Chef des Abschirmdienstes ist ein Idiot, und das ist der Grund dafür, daß du mich nicht loswirst und ich dich auch nicht, ist es etwa so?«
Näslund, der spürte, daß er schon gewonnen hatte, zögerte noch eine Weile mit der Antwort.
»Ja, er ist offenkundig ein Idiot. Also, Hamilton. Flieg zu den Deutschen runter und hör dir an, was sie zu sagen haben. Wenn dir der Vorschlag idiotisch vorkommt, brauchst du nicht mitzumachen, aber dann erwarte ich von dir, daß du nach Hause kommst und mir erklärst, warum das Ganze idiotisch ist. Wenn es sich vernünftig anhört,
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