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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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ein weiteres Jahr damit sicherten, bis zur nächsten Apfelernte in Schonen.
    Alle waren also zufrieden. Überdies waren diese polnischen Studenten, die in jedem Herbst erschienen, ein hervorragendes Rekrutierungspotential für jeden Nachrichtendienst, in dem halbwegs vernünftige Leute saßen. »Nun ja«, unterbrach sich der Alte, »das gehört ja strenggenommen nicht hierher.«
    Aber dann hätten sich Gewerkschaftsangehörige auf die Lauer gelegt und Schwarzarbeiter erwischt. Mancher der polnischen Apfelpflücker sei festgenommen, der Polizei übergeben und des Landes verwiesen worden.
    Und jetzt wüßten sämtliche Apfelpflanzer Kiviks, daß er, der Alte, einmal Spionagechef gewesen sei. Eines Tages erschienen sie vollzählig vor seiner Haustür, um eine Anfrage an ihn zu richten, die jeden Sozialdemokraten, ob er ehemaliger Spionagechef war oder nicht, in Schwierigkeiten bringen mußte.
    Sie wollten, daß der Alte eine Art Alarmsystem entwickelte, ein gegen Gewerkschaftsspione gerichtetes Sicherheitssystem.
    Nach einigem Zögern erklärte sich der Alte mit dem Vorschlag einverstanden. »Und dieses System funktioniert jetzt schon seit zwei Jahren. Es klappt perfekt. Sobald sich einer der Gewerkschaftsspione nähert, verschwindet wie durch Zauberei jeder polnische Student aus der gesamten Region Kivik. Wenn die Brüder wieder abgezogen sind, wird die Arbeit wiederaufgenommen. Aus diesem Grund können wir in Schweden immer noch schwedischen Apfelsaft trinken.«
    »Du meinst also, es gebe einen Unterschied zwischen den Gesetzen Gottes und den Verordnungen der Menschen, in diesem Fall der Sozis?« wollte Carl wissen, den die Geschichte zwar amüsierte, der aber noch keine richtige Parallele zu seinem Problem sah.
    Der Kellner erschien mit Carls Kreditkarte und der Rechnung, und der Alte beantwortete die Frage erst, als sie wieder im Wagen saßen und durch den Schneematsch in die Stadt zurückfuhren.
    »Verschiebe das Ganze. Du kannst bis zum nächsten Jahr warten, und wenn es nur darum geht, daß du Steuern bezahlen willst, dann mach es wie ich. Nimm ein Jahr, in dem dir besonders großzügig zumute ist oder in dem du ein besonders schlechtes Gewissen hast, aber es gibt keinerlei Grund, sich alles wegsteuern zu lassen. Und im Augenblick darfst du es nicht einmal - aus Sicherheitsgründen. Das ist ein Befehl, verstanden?
    In diesem Jahr mußt du mit Rücksicht auf die Sicherheit des Reiches ein Vermögen von null Kronen angeben, hehe.«
     Als Carl am nächsten Nachmittag die Papiere in der Bank unterzeichnete, die ihm ein paar weitere Millionen einbringen würden, saß er an einem Fenster hoch oben in dem Bankgebäude, das nicht nur eine Aussicht auf die größte Hurenstraße Stockholms bot, jenseits des alten Reichstagsgebäudes, sondern auch auf den Ort in der Stadt, an dem die meisten Drogen umgeschlagen wurden. Die Aussicht machte Carl depressiv und machte ihm die ganze Transaktion noch widerwärtiger.
    Den Akten im Bankschließfach wurden einige Umschläge von der Sicherheitsabteilung der Reichspolizeiführung beigefügt, nämlich die Garantien von Ministerialdirektor Näslund, die er ohne Diskussionen gegeben hatte, sowie ein Testament, in dem Carl im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und so weiter erklärte, im Fall seines Todes vermache er seine sämtlichen Vermögenswerte dem Palästina-Komitee in Schweden, Konto Nummer soundso.
    Zwei bestürzte Bankangestellte hatten seine Unterschrift bezeugt. Anschließend ging er zu Fuß durch die Hurenstraße zu seiner Wohnung in Gamla Stan, der Stockholmer Altstadt. Er packte eine Reisetasche, zog sich einfache, aber flotte Freizeitkleidung an und packte an Waffen nur sein präpariertes Schweizer Armeemesser und ein amerikanisches Kommando-Messer mit einem tarnfarbigen Kunststoffgriff ein.
    Er sammelte die Topfpflanzen der Wohnung ein und stellte sie auf den Tisch in der Bibliothek, den er mit Zeitungspapier abgedeckt hatte. Dann gab er ihnen so viel Wasser, wie eben vertretbar war; einige der Pflanzen neigten dazu, auch an zuviel Wasser zu sterben, und überdies war er Anfänger, dem man kaum nachsagen konnte, daß er ein grünes Händchen besaß.
    Seine bisherige Verlustziffer reichte an hundert Prozent heran. Carl spürte, daß auch diese Pflanzen sterben würden, und so kam es auch. Seine Reise nach Deutschland brachte es mit sich, daß die Pflanzen nach anderthalb Monaten starben, und in den folgenden Monaten würden wegen dieser Deutschlandreise insgesamt

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