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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Überzeugung und für seine Solidarität mit den Unterdrückten verantwortlich? Was hatte es für einen Sinn, von der Notwendigkeit des Kampfes gegen den Imperialismus überzeugt zu sein, wenn man selbst die Hände in den Schoß legte und nichts tat? Leute wie Siegfried Maack quatschten nur, taten aber nie etwas. Es sei denn, sie kritisierten Carl und seine Genossen mit den altbekannten scheißliberalen und pißhumanistischen Argumenten.
    Wenn aber jemand behauptete, Anti-Imperialist zu sein, mußte er mit seiner Überzeugung auch etwas anfangen. Die Genossen in der Dritten Welt waren nicht in der Lage, gegen das europäische Zentrum des Imperialismus zuzuschlagen. Wir können hier doch einfach nicht untätig herumsitzen und darauf warten, daß die afrikanischen, asiatischen oder lateinamerikanischen Genossen Europa vom US-Imperialismus befreien?
    Wir können aber selbst mit harten und genauen Schlägen eingreifen. Nur so nimmt man ernsthaft am Kampf teil. Nur der, der sich selbst einsetzt und etwas riskiert, hat das Recht, sich Anti-Imperialist zu nennen.
    So lauteten die Hauptargumente der Diskussion. Gelegentlich wurde Carl von Siegfried Maack unterbrochen, der einige Modifikationen vorschlug, um Carls Argumentation narrensicher zu machen, damit ihn niemand mißverstehen konnte.
    Gegen Ende der Woche waren die beiden Männer in der Lage, die Diskussion über Stunden hinweg zu führen, ohne aus der Illusion auszubrechen. Es gab Momente, in denen Carl das Gefühl hatte, fast selbst an das zu glauben, was er sagte, als wäre er dabei, sich in seinen Diskussionen mit Siegfried Maack selbst zu überzeugen.
    In Carl war eine Grauzone entstanden, in der es ihm nur mit Mühe gelang, sich von seiner Rolle zu trennen. Auch aus diesem Grund war er erleichtert, als er von der Tauchübung in die Zentrale in seiner letzten Nacht in Gefangenschaft zurückkehrte.
    Er gab die Druckluftflaschen, den Taucheranzug und die übrige Ausrüstung im Magazin ab. Als er auf den Innenhof hinaustrat, blieb er stehen. Es regnete. Am Himmel waren Flugzeugmotoren zu hören, die immer näher kamen. Ja, es waren ohne jeden Zweifel Transportmaschinen des Typs Hercules. Sie erinnerten ihn an eine Übung gegen Ende seiner Grundausbildung in Kalifornien.
    Sie wurden nachts über den Pazifik nach Alaska geflogen. Sie hatten eine ungefähre Vorstellung davon, wo sie abgesetzt werden würden und in welche Richtung sie sich dann einzeln und unter strenger Funkstille durchschlagen sollten. In einer Woche sollte jeder zweihundert Kilometer in der Wildnis zurücklegen.
    Die meisten Insassen der Maschine hatten schon während des Anflugs auf das Zielgebiet große Nervosität gezeigt.
    Der Fallschirmabsprung in die Dunkelheit machte ihnen Kopfschmerzen, obwohl sie das schon etliche Male geübt hatten. Carl hatte seine Kameraden mit einer gewissen Verwunderung beobachtet. Die Schwierigkeiten begannen ja erst nach der Landung. Erst dann brauchte man sich Sorgen zu machen, nicht jetzt, wo sie bequem per Flugzeug transportiert wurden, vor sich hindösten und durch Ohrenstöpsel vor dem Fluglärm geschützt waren.
    Dieses Gefühl von damals stellte sich wieder ein: Morgen sollte er die Geborgenheit der deutschen Transportmaschine verlassen und sich ins Unbekannte stürzen. In Hamburg würde das Unternehmen endlich beginnen - St. Augustin war nur eine Herkules.
    Siegfried Maack war ebenfalls erleichtert, daß die wehrpflichtähnliche Woche vorüber war. Er hatte das Gelände der GSG 9 nur einige Male verlassen, um beim BKA in Wiesbaden oder der Verfassungsschutzzentrale in Köln Material zurückzugeben und neues zu holen.
    Es war ihm schwergefallen zu entscheiden, wie er sich diesem merkwürdigen Schweden gegenüber verhalten sollte, mit dem er eine intensive Woche lang hatte zusammenleben müssen.
    Hamilton schien ein recht ungezwungener und intelligenter Mann zu sein, war ein heller Kopf, prägte sich Fakten leicht ein und verfügte überdies über eine improvisatorische Phantasie, die er in seiner künftigen Rolle ohne Zweifel würde gebrauchen können. Nach und nach hatte Siegfried Maack sein erstes Bild von Hamilton revidiert und sah ihn nicht mehr als den Mörder an, als den ihn die gespeicherten Daten auswiesen.
    Möglicherweise fühlte sich Maack gerade deshalb jetzt unangenehm berührt, als er die Ausrüstungsgegenstände holte, die Hamilton gegen Quittung in Empfang nehmen sollte, bevor sie sich am nächsten Morgen trennten. Die Ausrüstung war in ihrer

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