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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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etwas zu durchsichtiger Versuch war, das Thema zu wechseln. Er seufzte und fuhr fort: »Aber sonst hast du auf alles eine Antwort.
    Natürlich sind wir die Demokraten, die Guten, und diese Bombenleger, denen wir eine ganze Woche gewidmet haben, sind die Bösen. Welcher Methoden wir uns auch gegen sie bedienen, alles ist völlig in Ordnung. Klar, so ist es natürlich auch. Auch wenn es sich jetzt ironisch anhört, meine ich es doch so. Genau wie du selbst, wie ich annehme. Wie bist du übrigens beim Verfassungsschutz gelandet?«
    Diesmal war der Ansatz besser gewählt, und außerdem war das, was Maack zu erzählen hatte, etwa das, was zu erwarten war.
    Sein Bericht nahm einige Zeit in Anspruch und war eine gute Begleitmusik zu dem vorzüglichen Wein.
    Siegfried Maack erzählte, er habe Sprachen studiert und entweder Englisch oder Französischdozent an der Universität werden wollen. 1977, als der Terrorismus in der Bundesrepublik einen Höhepunkt erreichte, habe er in Paris an der Sorbonne studiert und gerade seine Doktorarbeit fertiggestellt (über die Veränderung des Genitivs im Französischen in der Zeit zwischen dem Mittelalter und dem achtzehnten Jahrhundert), als sein Onkel gestorben sei. Da habe er seine Studien abbrechen und nach Hause fahren müssen. Siegfried Maack schenkte sich etwas Wein nach und fuhr fort: »Auf der Beerdigung traf ich einen Verwandten, der beim BND arbeitete. Wir saßen eine ganze Nacht zusammen und redeten. Wir machten uns Sorgen um die Zukunft der Bundesrepublik und sprachen über die Notwendigkeit, den Terrorismus zu besiegen. Da wir beide Sozialdemokraten sind, belastete es uns zusätzlich, daß der Terrorismus die Vorstellung von dem, was Sozialismus sein kann, Sozialismus mit einem menschlichen, demokratischen Gesicht, usurpierte und verstümmelte.
    Der echte Sozialismus war ja nur noch ein Zerrbild, als in der DDR der Panzer-Sozialismus und in der Bundesrepublik der Terroristen-Sozialismus herrschte.
    Eine Woche später besuchte mich Loge Hecht, der meinen Verwandten beim BND natürlich kannte. Hecht stellte mir eine ganz einfache Frage: Meinen Sie es ernst? Wollen Sie mitmachen?
    Können Sie nächste Woche anfangen? Es war mir unmöglich, da nein zu sagen. Und jetzt, rund zehn Jahre später, sitze ich mit einem messerstechenden Grafen aus Schweden zusammen. Das ist die ganze Geschichte.«
    »Diesen Grafentitel sollte man nicht überbewerten«, erwiderte Carl leise. Siegfried Maacks Geschichte imponierte ihm. Dieser Lebenslauf verriet Konsequenz und Moral, und nach Carls eigenen Erfahrungen aus dem schwedischen Sicherheitsdienst waren es gerade diese beiden Dinge, konsequentes Handeln und Moral, die er in der schwedischen Praxis am schmerzlichsten vermißte.
    »Wir haben nämlich eine Inflation an schwedischen Grafen, bei uns ist es nicht wie hier…« er betrachtete das Etikett der nächsten Flasche, die Siegfried Maack aus der Kühltasche geangelt hatte, und fand sofort einen passenden Namen. »… wo Grafen so etwas wie Matuschka-Greiffenclau heißen und in Orten wie Oestrich-Winkel im Rheingau leben müssen, denn in Schweden sind sogar die Adelstitel sozialisiert, alle diese Ärsche, die Hamilton heißen, ob sie nun eingeheiratet haben oder adoptierte Neger sind, Frauen wie Kinder, Hans und Franz, alle sind Grafen oder Gräfinnen. Außerdem ist doch einer unserer Feinde Baron, nicht wahr, dieser Ekkehard von Seckendorff-Gudent. Hol mich der Teufel, so muß ein adliger Name klingen. Wir wollen mal sehen, ob ich alles behalten habe: 46 Jahre, etwa 1,80 Meter groß, Warze auf der linken Wange unterhalb des Ohrs, Brille, blond. Stirnglatze, wenn ich mich nicht irre. Diese Warze dürfte er inzwischen aber entfernt haben, ich meine, nachdem ihr sie auf euren Plakaten hervorgehoben habt. Es müßte jetzt also heißen: Narbe einer ehemaligen Warze auf der linken Wange unter dem Ohr. Der Wein dieses Grafen Matuschka-Greiffenclau ist zwar gut, aber Geheimrat ›J‹ läuft ihm den Rang ab. Worüber unterhalten wir uns eigentlich, verdammt noch mal?«
    »Im Augenblick darüber, daß wir bei der Jagd nach einem Freiherrn einen sozialisierten schwedischen Grafen aufzubieten haben, vielleicht aber auch über das Dilemma der Demokratie oder wie wir das nennen wollen. Wie bist du denn zum Sicherheitsdienst gekommen?«
    Der Wein zeigte allmählich Wirkung. Beide waren guter Laune.
    Es war ein befreiendes Gefühl, etwas entspannter und nachlässiger über Dinge zu sprechen, die nur am Rande

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