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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sich Mühe, weder erstaunt noch beeindruckt auszusehen.
    »Also«, fuhr Carl fort, »um das ganze für die Polizeibeamten hier nicht allzu kompliziert zu machen, denn sie müssen schließlich mit dem System umgehen, enthält ihr tragbarer Computer ein eingebautes Paßwort, mit dem man die meisten unserer Codes auf der Stelle knackt. Dazu brauchen sie nur ein einfaches Paßwort einzugeben, in diesem Fall GSG9.I46D, und das bedeutet, daß unser Freund Horst Niedermöller oder wie der Beamte in meiner kleinen Terrorgruppe da unten heißt, soeben dein Hauptquartier in Köln angerufen hat.«
    »Woher kennst du sein Paßwort?« fragte Siegfried Maack, dessen Stimme keinerlei Erstaunen verriet.
    »Weil er es mir gezeigt hat. Er konnte sich nämlich nicht vorstellen, daß ich mich mit solchen Knöpfen auskenne. Vorurteile, Siegfried, Vorurteile. Es ist genau wie bei dir und dem Messer, und das möchte ich dir jetzt mal illustrieren. Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, jetzt frage ich also in Köln an, wer ist Siegfried Maack… erbitte alle verfügbaren Daten…«
    Einen Augenblick darauf erschien auf dem Bildschirm am anderen Ende des Zimmers ein Text, der fast den gesamten Monitor ausfüllte. Carl stand auf, ging zu dem Terminal hinüber und las die Mitteilung, dann drehte er sich um.
    »Hier stehen nur zwei Dinge, die mich überraschen: Einmal, daß du den Doktortitel hast, und zweitens, daß du homosexuell bist.
    Alles andere scheint zu stimmen. Aber stimmen diese Dinge tatsächlich, Siegfried?«
    Siegfried Maack war so urplötzlich aufgesprungen, daß sein Stuhl zu Boden fiel. Er rannte zum Bildschirm und starrte den unerbittlichen grünen Text an.
    »Nein, das darf doch wohl nicht wahr sein«, keuchte er.
    »Doch, den Doktor habe ich schon, denn bei uns ist man nach Dissertation und Rigorosum Herr Doktor. Homosexuell bin ich aber nicht, bin es auch nie gewesen. Ich begreife nicht, wo die das her haben, ich verstehe nicht…«
    »Tja«, sagte Carl und ging zu dem tragbaren Mini-Terminal zurück, »wenn ich über das Telefonnetz und/oder Köln beim schwedischen Sicherheitsregister Angaben über mich selbst anfordern würde, würdest du etwas Ähnliches zu sehen bekommen.
    Ich bin so eine Art kommunistisches Sicherheitsrisiko, was ebenfalls kaum als wahr gelten kann. Außerdem war ich noch vor ein paar Jahren selbst für diese Datei verantwortlich. Aber nehmen wir doch mal diesen Scheißkerl hier…«
    Carl tippte wieder ein paar Tasten an, und auf dem Schirm tauchte das Bild des Terroristen Horst Ludwig Hahn auf.
    »… ja, bitte um Verzeihung, diesmal habe ich dein Paßwort verwendet. So, jetzt sieh dir mal diese Figur an. Er zieht Grimassen, damit man ihn nach diesem Bild nicht gut identifizieren kann, aber ich werde ihn trotzdem wiedererkennen, ob nun mit oder ohne diese waagerechte, einen Zentimeter lange Narbe auf der Stirn. Ich habe sogar seine Stimme gehört. Er ist exakt 1,75 Meter groß und etwa so alt wie du und ich. Und was wird wohl seine Karriere als Terrorist beenden? Bestimmt kein verdammtes Messer. Wenn er und seine Kollegen wählen dürften, entweder jeden Siegfried Maack mit Messer und Revolver ausgerüstet zu sehen, oder aber diese häßlichen kleinen Tastaturen und Bildschirme loszuwerden, würden sie keine Sekunde zögern. Dieser Computer hat Hahn gefangen, als er am Telefon sprach, und aus diesem Grund sitzen du und ich jetzt hier, deshalb weiß ich auch, wie er spricht, und kenne seinen ungefähren Aufenthaltsort. Nur deshalb haben wir eine Chance, ihn zu fassen. Dieser nette, zivilisierte, anständige Computer, den du bei deiner Arbeit benutzt, wenn auch mit einer gewissen Unsicherheit und einer anfängerhaften Technik, der stellt nämlich im Gegensatz zum Messer die wahre Gewalt gegen die Terroristen dar. In der Praxis übst du ebensoviel Gewalt aus, wie ich je ausüben werde, Siegfried. Alles andere ist ein Vorurteil und Angst vor diesem Männlichkeitsritual, das du im Turnsaal mitangesehen hast. Eine Art Aberglauben, könnte man sagen, etwa so wie Angst vor der Dunkelheit.«
    »Du hast im Dunkeln also keine Angst?«
    »Nein, wirklich nicht, nicht die geringste. Die Dunkelheit ist ein Schutz und keine Bedrohung.«
    »Völlig gleich sind wir demnach nicht. Aber ich gebe zu, daß deine Argumentation etwas für sich hat, objection sustained, könnte man sagen. Ich muß zugeben, daß ich dich vielleicht nicht ganz richtig beurteilt habe. Aber das liegt vielleicht an meinen pazifistischen

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