Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
er beobachtete, ob sich vor einem der Reihenhäuser etwas regte, untersuchte er den Wagen nach ungewöhnlichen oder allzu auffallenden Gegenständen. Aber sogar hier draußen in einem Reihenhausviertel war die Angst vor Dieben offenbar so groß, daß die Leute nichts im Wagen liegenließen und alles mit ins Haus nahmen. Um so besser für mich, dachte Carl, dann brauche ich deine Sachen nicht wegzuwerfen. Der Wagen sprang sofort an. Carl schaltete den Scheibenwischer ein, wartete aber mit den Scheinwerfern, bis er sich rund fünfzig Meter entfernt hatte. Auf der Autobahn in Richtung Stadtmitte probierte er die Möglichkeiten des Wagens aus, und wie erwartet funktionierte alles mit deutscher Präzision. Nach langem Suchen fand er ein Parkhaus in Altona, das zwischen dem Schauplatz des geplanten Bankraubs und seiner Basis an der Hafenstraße lag.
    Rund eine Stunde später nahm Carl seine zweite Mahlzeit im Restaurant Cuneo ein. Diesmal wählte er ein teures Gericht, aufwendig dekoriertes, mit Käse paniertes Kalbfleisch, in klebriger Sauce und einem langen Namen, aber statt eines italienischen Weins wählte er eine Flasche Châteauneuf-du-Pape, um ein paar Bemerkungen über den Wein machen und scherzhaft sagen zu können, daß er als Schwede immer ausländischen Wein trinken müsse. Niemand stellte ihm eine Frage.
    Carl bemühte sich auch nicht um eine weitere Konversation mit dem Kellner. Das Wichtigste hatte der schon registriert, und alles übrige würde wie von selbst gehen. Das Essen schmeckte recht gut. Er ließ sich etwas Zeit, da er davon ausging, daß die weiteren Lokalbesuche des Abends wesentlich weniger angenehm verlaufen würden. Er trank einen doppelten Espresso, zahlte und ließ beim Gehen ein großzügiges Trinkgeld auf dem Tisch.
    Die Kneipe, die er in seinem Hausbesetzerviertel noch nicht besucht hatte, hieß Volxküche. Das O hatte die Gestalt einer klassischen Comics-Bombe, nämlich die einer schwarzen Kugel mit brennender Lunte, und die fehlerhafte Orthographie sollte wohl irgendeine allgemein revolutionäre Haltung versinnbildlichen.
    An Speisen schien das unbeschreiblich dreckige Lokal allerdings nur wenig zu bieten. Um die Volxküche betreten zu können, mußte Carl erst eine schief in den Angeln hängende Tür überwinden und über einen Haufen Mörtel hinwegklettern.
    Dann befand er sich in einem mit Sperrmüll möblierten Lokal. Aus den Sitzflächen der Polstersessel ragten Stahlfedern hervor, und die Sofas erweckten den Eindruck, als hätte man sie absichtlich zerfetzt, damit sie besser in die revolutionäre Umgebung paßten. Die Wände waren mit Symbolen geschmückt, die in der Hauptsache und zu Carls Zufriedenheit aus fünfzackigen Sternen mit entweder einem A (für Anarchismus) oder einem RAF-Symbol in der Mitte geschmückt waren.
    Diesmal hatte sich Carl entschlossen, sich sofort um eine Unterhaltung zu bemühen, was auch angezeigt war, denn dieser Ort war kaum so beschaffen, daß man ohne Erklärung über den Unrat hinwegklettern und so tun konnte, als hätte man unter den Restaurants der Stadt plötzlich eine Entdeckung gemacht. Sechs oder sieben Personen starrten ihn feindselig an, als er sich auf etwas zubewegte, was wohl der Tresen sein sollte. »Hallo, ich bin Ausländer und möchte euch ein paar Fragen stellen. Ist das in Ordnung?« begann er und erhielt, wie kaum anders zu erwarten, nur ein feindseliges Grunzen zur Antwort.
    »Es kommt euch vielleicht ein bißchen merkwürdig vor«, fuhr Carl fort, »aber als ich mir auf der anderen Straßenseite ein Hotelzimmer genommen habe, dachte ich nicht gerade an einen Ort, wo urplötzlich die Bullen angestürmt kommen. Ich habe nicht gewußt, daß hier das Zentrum der Hausbesetzerbewegung ist. Aber wie steht’s damit eigentlich: Kommen die Bullen hier nicht dauernd angerannt, um euch das Leben schwer zu machen? Ich hätte übrigens gern ein Bier.«
    Die Unterhaltung kam in Gang, wenn auch ein wenig mühsam.
    Diesmal wollte sich Carl nur die Informationen entlocken lassen, daß er Schwede sei, eine starke Abneigung gegen Bullen habe, in Stockholm zu den Besetzern eines Hauses namens Maulwurf gehört habe, allerdings in jüngeren Jahren - ob jemand vom Maulwurf gehört habe, aha, nein, jedenfalls habe das Ganze dort damit geendet, daß die Bullen das Haus gestürmt und alle weggetragen hätten, und jetzt wollte er wissen, ob hier in Hamburg das gleiche passieren könnte.
    Sein vor Fehlern strotzendes Deutsch und sein unbestreitbar

Weitere Kostenlose Bücher