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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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werden. Im übrigen schien dieses Lokal noch heruntergekommener zu sein als das erste; Carl sah den gleichen unbeschreiblichen Schmutz, aber nur sieben oder acht Sitzplätze ohne Tische; die meisten Gäste des Lokals standen, fast alle schienen mehr oder weniger berauscht zu sein, wobei sich nicht ausmachen ließ, was diesen Zustand bewirkt hatte, genausowenig, ob sie mehr oder weniger geistesabwesend oder mehr oder weniger kriminell waren. Wie in dem ersten Lokal wiesen alle Männer merkwürdigerweise Verletzungen auf, die aus internen Auseinandersetzungen stammen mußten.
    Carl bekam sein Bier und reichte dem mißtrauischen Gastwirt zwei Mark. Carl stellte sich in eine Ecke und trank langsam, während er überlegte, wie er Auseinandersetzungen vermeiden konnte. Vielleicht war es auch gar nicht sinnvoll, einer Schlägerei aus dem Weg zu gehen. Vielleicht war es sogar ein Vorteil, ein paar der Drogensüchtigen zusammenzuschlagen, wenn sie Streit suchten. Aber er kam zu dem Schluß, daß es jetzt zu Anfang, wo die meisten in diesem Viertel ihn vielleicht für eine Polizeispitzel hielten, entschieden unvorteilhaft wäre, sich mit einem dieser Säufer anzulegen. Eine Woche später würde es dagegen recht günstig sein, wenn es ihm nur gelang, das richtige Opfer zu finden. Aber jetzt noch nicht, das würde ihn im ganzen Viertel unmöglich machen. Einer der Säufer neben ihm hatte eine Pferdeschwanz-Frisur und war so tätowiert, daß man zumindest in Schweden auf etliche Gefängnisaufenthalte getippt hätte. Der Mann mit dem Pferdeschwanz glotzte ihn an und schien Streit zu suchen. Carl trank schnell das Bier aus - die gleiche Marke wie in der ersten Kneipe - und ging in die Kälte hinaus, bevor etwas passieren konnte. Er entschloß sich, nicht weiter herumzuschnüffeln, und ging statt dessen wieder in sein Zimmer im obersten Stock des Hotels. Das Zimmer hatte keine Deckenlampe. Die Nachttischlampe war rot. Bei diesem Licht würde er nicht lesen können. Das Zimmer war kalt. Durch das undichte Fenster zog es, trotzdem roch es nach altem, billigem Parfüm.
    In diesem Moment erschien es ihm als unmögliche Vorstellung, daß man unter diesen Hausbesetzern in der Hafenstraße Terroristen finden könnte. Die Menschen, die er bis jetzt gesehen hatte, machten nicht gerade den Eindruck, Sozialisten oder Antiimperialisten zu sein; es schien ihm zweifelhaft, ob sie überhaupt lesen konnten. Sie waren nichts weiter als kleine Kriminelle und Fixer. Er legte sich voll angekleidet aufs Bett, verschränkte die Hände im Nacken und begann sich zu fragen, wie er in einer Stadt mit fast zwei Millionen Einwohnern ein anderes Milieu als die Hafenstraße finden konnte, um Kontakt zu bekommen. Er versuchte sich vorzustellen, daß er sich in Schweden befand, daß er in Stockholm war, daß er kurz vor Weihnachten in Stockholm politische Extremisten finden sollte, die sich so auf den Straßen bewegten, daß man mit ihnen Kontakt aufnehmen konnte. Diese Verbindung herzustellen, war eine seiner dringendsten Aufgaben. Die zweite war der Banküberfall, zu dessen Vorbereitung nicht mehr als ein Autodiebstahl nötig war. Das Hauptproblem war also die Frage, ob er anderweitig einen indirekten Kontakt herstellen konnte, in einem anderen Umfeld. Die naheliegendste Möglichkeit wäre vielleicht eine linke Buchhandlung gewesen man hatte ihm die Karl-Marx-Buchhandlung genannt-, aber das erschien ihm als zu durchschaubare Provokation. Die linken Buchhandlungen Schwedens waren in den siebziger Jahren die reinsten Magneten für allerlei Provokateure und Spitzel gewesen, und das hatte natürlich dazu geführt, daß sich die dort Beschäftigten sofort verdächtig machten, wenn sie außerhalb ihres Bekanntenkreises auch nur nach einer Zeitung fragten.
    Carl ging davon aus, daß es in Hamburg genauso ablief.
    Nach einer Stunde Nachdenken kam ihm eine Idee, die zumindest einer Prüfung wert schien. Und so würde er am nächsten Vormittag etwas zu tun haben, bevor er am Nachmittag einen Zug durch die Kneipen machen und am Abend das Auto stehlen würde.
    Er machte einen Spaziergang um die Außenalster. Der See lag grau und verlassen im Regen. Er kam an ein paar Bootsanlegern vorbei, von denen die meisten völlig leer waren, aber ein paar vereinzelte Segelboote waren noch immer fast trotzig vertäut, als spielte es keine Rolle, daß es schon Dezember und fast Weihnachten war, oder als hätten die Eigentümer ihre Boote ganz einfach vergessen oder aufgegeben. Die

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