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Der Derwisch und der Tod

Der Derwisch und der Tod

Titel: Der Derwisch und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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beleuchtete und
entzündete, mich tröstend und mich quälend.
    Am liebsten hätte ich in die Nacht
hinausgeschrien: Warum gerade er? Hatte er es denn am nötigsten, sich
Genugtuung zu verschaffen? Ist mein Wunsch geringer als der seine? Welchem
Teufel soll ich meine wunde, wehe Seele verschreiben, damit mir solches Glück zuteil
wird?
    Aber ich quälte mich umsonst, das
Schicksal ist taub für Klagen, blind, wenn es seine Vollstrecker wählt.
    Wäre es nicht Nacht gewesen, ich
wäre zum Goldschmied Sinanudin gegangen, ihm die freudige Nachricht über seinen
Sohn zu bringen, er wußte es noch nicht, er ahnte es nicht. Die Nachricht war
in meine Hand gegeben als eine Kostbarkeit, damit ich sie hütete und mich an
ihr erfreute wie an fremdem Gut. Es würde ihm nichts ausmachen, daß es Nacht
ist, er wäre mir dankbar, auch wenn ich ihn aus dem Schlaf risse, er würde
vergessen, daß er dem Obersten Vorwürfe gemacht hat, und er würde herbeieilen,
ihm zu danken. Doch ich blieb, vielleicht hätte ich auch nicht gehen können,
weil am Tor eine Wache stand, es würde mich kränken, wenn sie mich anhielten
oder zurückschickten, vielleicht würde es sogar Verdacht erregen, wäre
gefährlich, wiederum wollte ich auch nicht in das Zimmer des Obersten gehen und
ihn um Erlaubnis bitten; er hätte sich wohl gewundert: Ist es denn so wichtig
und eilig?
    Wahrhaftig, warum ist es mir so
wichtig?
    Ich war aufgeregt, das bewirkte der
Neid, das bewirkte der Haß, das bewirkte das Miterleben fremden Glückes. Und es
gab keinen anderen Grund, denn es berührte mich ja nicht. Ich beeilte mich
nicht, die Nachricht dem zu bringen, dem sie galt, ich blieb in der Tekieh.
    Nicht im Traum hätte ich mir
vorgestellt, wie schicksalschwer diese winzige Entscheidung sein würde.
    Wäre ich zu Hadschi Sinanudin
gegangen, hätte ich ihm berichtet, was ich erfahren hatte, vielleicht nur, um
ihn zu erfreuen oder um zusammen mit ihm die Nacht ohne Schlaf zu verbringen,
so hätte mein Leben eine ganz andere Wendung genommen. Ich sage nicht, daß es
besser oder schlimmer geworden wäre, aber gewiß wäre es ganz anders verlaufen.
    Vom Schlaf niedergedrückt, schimmert
die Stadt sanft im herbstlichen Mondlicht, keine Stimme läßt sich hören, keine,
die Menschen sind ausgestorben, die Vögel davongeflogen, der Fluß
ausgetrocknet, das Leben erloschen, irgendwo freilich wogt es, fern, dort
irgendwo geschieht das, was die Menschen hier wünschen, um uns ist Ode und
Finsternis, was gilt es zu tun, damit wir heraustreten aus der Ode dieser
langen Nacht? O mein Gott, warum hast du mich nicht in meiner Blindheit
gelassen, in der dunklen Ruhe, in dem Frieden, der darin liegt, nichts zu
sehen? Und warum hältst du mich jetzt in der Zange der Ohnmacht, als
Verstümmelten? Mach mich frei, oder lösch den unnützen Lichtstrahl in mir aus,
nimm die Last von mir, ganz gleich wie.
    Zum Glück hatte ich nicht Vernunft
und Einsicht verloren, obgleich mein Gebet einem irren Stammeln glich, die
Schwäche ging bald vorüber, und ehe noch der Morgen graute, wurde es in mir
lichter. Mein Dunkel schwand allmählich, ein Gedanke zeichnete sich ab, unklar,
schwankend, fern, doch er rückte immer näher, wurde klarer, bestimmter, bis er
auf mich strahlte wie die Morgensonne. Ein Gedanke? Nein! Eine Offenbarung.
    Nicht grundlos war meine Aufregung
gewesen, der Grund hatte in mir gelegen, nur daß ich ihn nicht gleich erkannt
hatte, doch das Samenkorn keimte.
    Schneller, Zeit, mein Augenblick ist
gekommen! Denn morgen könnte es schon zu spät sein.
    Am frühen Morgen hörte ich
Pferdehufe unruhig auf das Pflaster der Gasse schlagen. Der Oberst trat sofort
aus dem Zimmer, als hätte er nicht geschlafen. Auch ich trat heraus. Im trüben
Morgenlicht wirkte er alt, grau, erschöpft, wegen der geschwollenen Lider hätte
man meinen können, er sehe gar nichts. Wie mochte er diese Nacht verbracht
haben?
    „Entschuldige, daß dein Zimmer so
verqualmt ist. Ich habe viel geraucht. Habe nicht geschlafen. Du auch nicht,
ich habe dich auf und ab gehen hören."
    „Hättest du mich gerufen, so hätten
wir uns unterhalten können."
    „Schade."
    Er sagte das leblos, und ich wußte
nicht, war es schade, daß wir uns nicht unterhalten hatten, oder wäre es schade
gewesen, die Zeit mit Gesprächen zu vergeuden.
    Zwei Soldaten hoben ihn aufs Pferd.
Er ritt die leere Gasse hinab, gebeugt im Sattel sitzend.
    Als ich aus der Moschee zurückkam, sah ich Mula Jusuf vor
einer Bäckerei stehen und sich

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