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Der deutsche Goldrausch

Der deutsche Goldrausch

Titel: Der deutsche Goldrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laabs Dirk
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haben den Eindruck, dass die Verträge ganz außerordentlich vorteilhaft für den Steigenberger-Konzern sind und ganz außerordentlich nachteilig für die einzelnen Hotels, die zur Gruppe gehören. Ich glaube nicht, dass mit diesen Pachtverträgen die Sicherheit der Arbeitsplätze, um die es Ihnen ja geht, gewährleistet werden kann … Der Steigenberger würde derartig geringe Pachten an die Häuser zahlen, dass nicht erwartet werden kann, dass die Hotels in einem wettbewerbsmäßigen Zustand gehalten werden können, und das Ende eines jeden einzelnen Hotels können Sie sich ja ausrechnen. Das heißt also, diese Verträge, die geschlossen worden sind, sind ungleiche Verträge …« Rohwedder steht da in Oberhemd und Krawatte, ohne Sakko. Er verschränkt nun die Arme vor der Brust: »… und letztlich zum Nachteil der Treuhandanstalt, damit zum Nachteil des Volkseigentums …« Ein Mann schräg hinter Rohwedder schnaubt und sagt spöttisch: »Volkseigentum!«
    Rohwedder dreht sich zu dem Mann um und erwidert: »Ja, ja, ja, das haben wir hier …, das steht im Gesetz, da brauchen Sie gar nicht zu lachen, gucken Sie mal lieber ins Gesetz.«
    Ein Interhotel-Vertreter hebt nun das Megaphon und antwortet. Er spricht Wild direkt ins Ohr, die Stimme knarzt: »Seit mehreren Monaten fordern wir als Arbeitnehmervertreter von der Treuhandanstalt andere Konzepte. Solange die nicht vorliegen, stehen wir zu dem Steigenberger-Konzept.«
    Rohwedder, an die Wand gelehnt, schwingt seinen Oberkörper nach vorn und antwortet: »Na, das tun Sie mal.« Die Menge klatscht, einige rufen:
»Jawohl! Jawohl!« Rohwedder fährt fort: »So, meine Damen und Herren, das war’s. Ich kann nur sagen: Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber.« 5 Die Spitze geht im Tumult unter. Rohwedder wiederholt noch einmal: »So, das war’s, mehr kann ich Ihnen heute Morgen nicht sagen, meine Damen und Herren. Wir handeln hier in Ihrem Interesse …«
    Ein Protestler fällt dem Treuhandpräsidenten ins Wort: »Wir haben die Treuhand nicht gewählt! Die Treuhand bestimmt über unsere Köpfe hinweg.« Rohwedder, nun matter, hebt beschwichtigend die Hände: »Die bestimmt überhaupt gar nicht.« Er wendet sich ab und geht in sein Büro. Wild folgt ihm. Einer in der Menge murmelt: »Det kann doch wohl nich wahr sein.« Dann sagt ein anderer laut: »Das war nicht unser letztes Wort!« Die Tür zu Rohwedders Büro fällt zu.
    Während der ganzen Zeit lehnt Detlef Scheunert an einer Wand und beobachtet die Szene aus der zweiten Reihe.
     
    Die Treuhand wird beinahe vom ersten Tag an belagert. Keine andere staatliche Institution der DDR hat noch Autorität oder eine Zukunft. Die Regierung, das Parlament, die Ministerien – sie alle werden nur noch wenige Wochen existieren. Doch die Menschen in Ostdeutschland sehen seit Anfang des Jahres und vor allem seit dem 1. Juli, wie die Krise ihrer Wirtschaft immer bedrohlicher wird. Sie sehen ihre Existenz und Zukunft in Gefahr. Die Treuhand wird die Klagemauer, an der sie ihre Angst artikulieren. Sie sind es gewöhnt, dass staatliche Institutionen über jeden Bereich ihres Lebens entscheiden. Nun ist also eine Treuhand eingesetzt, die diese Rolle ausfüllen soll.
    Doch die Treuhand ist nicht allmächtig. Wie Rohwedder sagte: »Die Treuhand bestimmt überhaupt gar nicht.« Detlef Scheunert und Wild wird das sehr deutlich im Fall Interflug, der staatlichen Fluglinie der DDR. Rohwedder will entsprechend seinem Credo, mehr Wettbewerb zu schaffen, die Fluglinie an einen ausländischen Investor verkaufen. Damit gäbe es neben der Lufthansa im Westen eine weitere deutsche Fluggesellschaft. Doch die Bundesregierung scheint ganz andere Pläne zu haben.
    Viele DDR-Bürger sind sehr stolz auf ihre Fluglinie, die Ziele in der ganzen östlichen Hemisphäre anfliegt und zahlreiche Kader und Militärs beschäftigt. Die Linie setzt vor allem alte russische Maschinen ein. 1987 wird die Flotte mit drei Airbussen aufgestockt. Allerdings sind die Maschinen nur geleast. Zudem betreibt die Interflug den Flughafen in Schönefeld. Die Lufthansa und andere Fluglinien rechen damit, dass der ostdeutsche Flughafen in Zukunft eines der wichtigsten Drehkreuze Mitteleuropas wird.

    Im März hat die Interflug-Belegschaft bereits einer Beteiligung der Lufthansa zugestimmt, 6 nun, im September, ist die Situation komplizierter geworden. Der größte europäische Konkurrent der Lufthansa, British Airways, will die Interflug auch

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