Der Dieb der Finsternis
nicht da, schlug die Wagentür zu, schaltete das Automatikgetriebe auf Drive und fuhr auf die Straße. Die Räder drehten durch bei dem Versuch, auf dem Straßenbelag Haftung zu finden. Die Autos um ihn her wippten und schlingerten, und die Fahrer hupten wild.
»Ein neueres Modell konntest du dir nicht aussuchen?«, schimpfte KC und schaute dabei über die Schulter aus dem Rückfenster. Ihre Verfolger brüllten Befehle in ihre Funkgeräte.
»Bei den meisten Autos, die nach 1995 hergestellt wurden, schaltet die Zündung sich bei Alarm automatisch aus. Die geben keinen Mucks mehr von sich, wenn du dich den Drähten auch nur näherst.«
Drei Polizeiwagen kamen mit kreischenden Reifen um die Ecke und gerieten kurz ins Schlingern, doch die schweren Motoren rissen sie gleich wieder nach vorn. Michael trat das Gaspedal durch und jagte los.
»Hast du irgendeine Vorstellung, wohin du fährst?«, rief KC. Die Polizei kam immer näher, und Panik machte sich in ihr breit. Wenn man sie schnappte, bedeutete das für ihre Schwester und Simon den Tod. Sie umklammerte die Transportrolle mit dem Stab noch fester.
Michael sprach kein Wort, als er sein Mobiltelefon herauszog, aufklappte und eine der Schnellwahltasten drückte, ohne auf das Display zu schauen. Er hatte gerade eben den Lautsprecher des Handys eingeschaltet, als Busch den Anruf bereits entgegennahm. »Was, zum Teufel …«
»Hör zu!« Michael gab wieder Vollgas und jagte an einem Straßenschild vorüber. »Ich bin auf der Atmeydani, der Hauptstraße vor der Blauen Moschee. Du musst mich hier herausdirigieren.«
Am anderen Ende der Leitung machte sich Stille breit. »Paul?«, rief Michael.
»Zwei Sekunden, ich warte auf das GPS.«
»Wir haben keine zwei …«
»Bieg auf Ozbekler rechts ab, und kurz dahinter noch einmal rechts auf Katip Sinin.«
Michael riss das Lenkrad herum.
»Wie nah sind sie?«, fragte Busch.
»Nicht mal einen Straßenblock hinter uns«, antwortete KC und riss Michael das Telefon aus der Hand.
»Was für einen Wagen habt ihr?«
»Einen blauen Buick, der über jede Ampel und jedes Stoppzeichen fährt. Wir sind kaum zu übersehen.«
»Fahr über die nächsten beiden Kreuzungen und bieg dann scharf links ab auf Piyerloti, dann rechts auf Pertev. Die Straße ist sehr eng, aber egal, was du machst, fahr nicht langsamer.«
KC sah sich um. Der erste Polizeiwagen kam immer näher. Michael bog ab. Mit durchdrehenden, kreischenden Reifen, die einen rauchenden Gummistreifen auf dem Belag hinterließen, schoss er nach rechts davon.
»Paul, würdest du mir bitte sagen, was du da treibst?«, brüllte er.
»Ich verschaffe dir Zeit. Ich habe zwar keine Lösung zur Hand, aber ich kann dir dabei helfen, einen größeren Vorsprung vor denen zu bekommen, die hinter deinem Arsch her sind.«
Michael drehte das Lenkrad scharf nach links und bog gleich wieder rechts ab, so wie Busch es ihm vorgegeben hatte. Die Straße war tatsächlich kaum breiter als der Wagen. Die Hauswände peitschten an ihnen vorüber, und die Luft schoss zischend durch das zerbrochene Fenster auf der Fahrerseite ins Wageninnere. Die Polizeifahrzeuge folgten ihnen weiterhin in perfekter Formation – wie Kavallerie, die sich nicht vom Weg abbringen ließ.
Michael beschleunigte, als er die Kreuzung überquerte, und sah in den Augenwinkeln einen schwarzen Wagen, der genau in ihre Richtung flog und um Haaresbreite mit ihnen zusammengeprallt wäre. Plötzlich war ein kreischendes Geräusch zu vernehmen. KC drehte sich um und sah, dass eine dunkle Limousine mitten auf der Kreuzung stand und die Zufahrt zu der schmalen Straße versperrte. Die Fahrer der Polizeiwagen bremsten so vehement, dass die Reifen qualmten.
Michael fuhr auf die Hauptdurchgangsstraße und trat das Gaspedal voll durch.
Als KC sich umsah, konnte sie Busch sehen und die Polizisten, die aus ihren Wagen sprangen und vor Wut mit den Armen fuchtelten. Ihre Körpersprache sprach Bände.
Michael fuhr noch ungefähr acht Blocks weiter, bis er eine Gruppe Halbstarker erblickte, deren großtuerisches Benehmen ebenso wenig von Unschuld zeugte wie ihr äußeres Erscheinungsbild. Mit Wucht stieg Michael in die Bremse.
»Was machst du denn jetzt?«, rief KC.
»Lass uns abhauen.« Ohne auf ihre Antwort zu warten, sprang Michael aus dem Wagen. »He«, rief er.
Die fünf jungen Burschen drehten sich um. Sie strotzten nur so vor Kraft und waren auf eine Prügelei aus. Der Anführer kam auf Michael zu. Der wies mit einladender Geste
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