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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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Polizisten zuckten zusammen, als sich die Explosion ereignete. Instinktiv gingen sie in die Hocke und schützten ihre Köpfe. Doch als Yasim genauer hinsah, entdeckte er keine Leichen und sah keinen Tod. Der Angriff war nur vorgetäuscht – eine List, ein Ablenkungsmanöver, das die Menschen davon abhalten sollte zu sehen, was hier wirklich lief.
    Als Yasim sich endgültig von dem Schrecken erholt hatte, musste er gestehen, dass die List perfekt funktioniert hatte. Michael und KC waren verschwunden.
***
    Im Augenblick der Explosion rannten Michael und KC inmitten der anderen Fliehenden zum Ausgang. Als der erste Schock der Leute nachließ, wurde der Pulk hinter ihnen rasch so groß, dass es einer Massenflucht glich.
    KC und Michael sprinteten durch das Begrüßungstor. Um sie her war ein Meer aus Menschen. Sie liefen über das offene Gelände auf das Großherrliche Tor zu, dem ersehnten Ausgang zur Freiheit. Dann aber sahen sie eine geschlossene Front aus Wachmännern und Polizeibeamten, mindestens fünfundzwanzig Mann, die unmittelbar nach der Explosion auf das Gelände gestürzt war. Beim Anblick der wogenden Menschenmenge wirkten sie zuerst verängstigt, nahmen dann aber eine kampfbereite Haltung ein.
    Die Wachen und Polizisten sprachen in ihre Funkgeräte, nickten und suchten die Menschenmenge ab. Plötzlich zeigte einer auf KC, die mit ihren einhundertachtundsiebzig Zentimetern Körperlänge, ihrem langen blonden Haar und dem blauen Abendkleid kaum zu übersehen war.
    Als Michael sah, dass die Wachmänner sie erspäht hatten, scherte er nach rechts aus und rannte auf die Mauer auf der anderen Seite zu.
    »Ich hasse so was«, keuchte KC, riss sich die Absatzschuhe von den Füßen und rannte barfuß über den Rasen.
    »Ich auch.« Michael nahm ihr die Lederrolle aus der Hand und warf sie sich über die Schulter. In unvermindertem Tempo rannten sie weiter.
    Die Polizisten und Wachen versuchten, sich einen Weg durch die drückenden, schiebenden Massen panischer Festgäste zu bahnen. Einige wurden zur Seite gestoßen, andere kamen zumindest ein paar Schritte voran. Fünf Männern gelang es schließlich, sich einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen und den beiden Dieben nachzusetzen.
    Michael und KC erreichten die Mauer auf der anderen Seite und erklommen die meterhohe Wand. Sie sprangen über die Brüstungsmauer und landeten auf dem flachen Kiesdach des Archäologischen Museums.
    »Das war echt clever«, spöttelte KC, zog ihre Ballerinas aus der Tasche und streifte sie über.
    Als sie wieder nach unten in den Janitscharenhof blickten, sahen sie die fünf Wachmänner, die mit gezogenen Waffen und wütenden Gesichtern in ihre Richtung stürmten. Und ohne jede Vorwarnung flogen plötzlich die Kugeln.
***
    Busch wartete neben der Limousine. Der Kofferraum stand offen, und die Warnblinkanlage blinkte Michael und KC an wie ein Leuchtfeuer. Busch hatte die Explosion gehört. Obwohl sie ihn erschreckte, überraschte sie ihn nicht sehr. Wenn man mit Michael zu tun hatte, musste man mit so etwas rechnen.
    Busch beobachtete, wie Scharen elegant gekleideter Festgäste aus dem Großherrlichen Tor strömten und die Straßen und Bürgersteige überfluteten. Autohupen kreischten den Verkehrsstau aus menschlichen Körpern an, und von panischer Angst gezeichnete Stimmen schrien. Andere weinten vor Erleichterung, überlebt zu haben.
    Busch ließ den Blick schweifen, entdeckte aber keine Spur von Michael oder KC. Er griff nach seinem Funkgerät und drückte die Sprechtaste, bekam aber keine Antwort. Er nahm sein Mobiltelefon und wählte Michael an, doch niemand meldete sich.
    Drei Minuten lang beobachtete Busch die Menschenmassen, die aus dem Eingang strömten. Dann wusste er, dass Michael nicht kommen würde. Es war nicht Instinkt, der ihm dies sagte, es war Erfahrung.
    Rasch kam der Verkehr zum Stillstand. Auf den Straßen standen die Wagen dicht an dicht und Stoßstange an Stoßstange und konnten nirgendwohin ausweichen. Nun ging gar nichts mehr. Es herrschte endgültig das Chaos, und es würde Stunden dauern, bis es sich aufgelöst hatte.
    Busch schlug den Kofferraum zu, schwang sich auf den Fahrersitz und drehte den Zündschlüssel. Zur Bestürzung der anderen Verkehrsteilnehmer vollführte er eine schnelle 180-Grad-Wende und fuhr in östlicher Richtung davon. Er wusste zwar nicht genau, wohin er fuhr, aber wenn Michael den Notstand ausrief – und es bestand kein Zweifel, dass er es tun würde –, musste Busch bereit sein.

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