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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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diesem Haus Allahs hatte Sokollu Mehmet Pasha den Brief an seinen Bruder geschrieben. In seinem ehemaligen Palast hatte er die List ersonnen, den finsteren Teil der Piri-Reis-Karte und den dazugehörigen Hermesstab zu verstecken.
    KC konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart. Unwillkürlich krampften ihre Finger sich um das Fernglas, und ihr Herz schlug schneller bei dem Anblick, der sich ihr plötzlich bot. Er stand im Innenhof der Blauen Moschee, bekleidet mit einem weißen Leinenhemd und dazu passender Hose, und sah aus wie einer der Einheimischen. Unvermittelt nahm er seine Sonnenbrille ab und starrte KC aus zweihundert Metern Entfernung geradewegs in die Augen, mitten hinein in ihre Seele. Dabei legte sich ein Lächeln auf sein Gesicht. So stand er inmitten der wachsenden Menschenmenge aus Gläubigen und Touristen, die an ihm vorüberströmte, wobei niemand bemerkte, dass unter ihnen das personifizierte Böse stand. Er starrte KC unverwandt an, als wüsste er genau Bescheid über jeden ihrer Schritte. Schließlich verbeugte er sich. Es war eine angedeutete Begrüßung, eine letzte Respektsbekundung vor dem Gefecht.
    KC trat einen Schritt zurück, sodass er sie nicht mehr sehen konnte, griff sich ihr Mobiltelefon und wählte.
    Michael antwortete gleich nach dem ersten Läuten. »Können wir loslegen?«
    »Ja«, flüsterte KC, als würde Iblis neben ihr stehen.
    »Pass auf dich auf«, sagte Michael, und dabei schwang ehrliche Sorge in seiner Stimme mit.
    »Und du pass auf dich auf«, erwiderte KC. »Lass nicht zu, dass meiner Schwester etwas passiert.«
    »Ich werde sie beschützen, wie ich dich beschützen würde.«
***
    Busch kniete auf der Rückbank der Limousine und sondierte die Lage. Der Lauf seines Scharfschützengewehres lag auf der Hutablage der Heckscheibe aus Rauchglas. Das Gewehr gehörte Michael; Simon hatte es ihm geschenkt. Michael hatte nie den Mut besessen, die Waffe zu benutzen, noch hatte je die Notwendigkeit dazu bestanden, doch er hatte sie in seiner Zaubertasche aufbewahrt für den Fall, dass er sie irgendwann einmal brauchte.
    Busch presste den Holzgriff fest gegen seine Schulter, legte den Zeigefinger um den Abzug und drückte sein Auge in die dafür vorgesehene Vorrichtung des Suchers. Der schwarze Gummiring blendete sämtliches Licht von den Seiten aus, sodass es jetzt nur noch durch die Linse des Zielfernrohres drang. Er bewegte die Waffe leicht nach oben und nach unten, nach rechts und nach links, bekam ein Gefühl für sie und beobachtete dabei die Straßen der eleganten Wohngegend. Schließlich fixierte er seinen Blick auf das gewaltige schmiedeeiserne Tor vor Iblis’ Haus. Anders als die meisten Tore der Reichen war es nicht verziert – es gab kein ausgefallenes Dekor, kein Familienwappen auf den schweren Stangen, lediglich doppelt verschweißtes, dickes, abschreckendes Eisen. Busch blickte nach oben auf die Videokameras, die auf hohen weißen Pfählen thronten und den Bürgersteig und das Tor so erfassten, dass nirgendwo eine Stelle blieb, an der man sich hätte verstecken können. Ganz leicht drückte er mit dem Finger auf den Abzug der Waffe; der Laser reagierte sofort und malte einen hellroten Punkt auf den weißen Pfahl, der sich jetzt präzise im Fadenkreuz des Zielfernrohres befand. Busch lächelte.
    Busch war bei der Polizei zum Scharfschützen ausgebildet worden, hatte seine Fähigkeiten zum Glück aber nie einsetzen müssen. Schließlich nahm er das Gewehr wieder herunter, um Michael zu beobachten. Der ging soeben den Bürgersteig hinauf, der neben der mit Stuck verzierten, fünf Meter hohen Mauer verlief, hinter der sich Iblis’ Haus verbarg. Michael war bekleidet mit einem leichten hellbraunen Sommerhemd und einer khakifarbenen Hose; über der Schulter trug er eine große Ledertasche, die ihm bei jedem Schritt gegen die Schenkel schlug.
    Busch bewegte das Gewehr zwischen Michael, dem schmiedeeisernen Tor und den Videokameras hin und her und zentrierte es. Michael war nur noch etwa acht Meter vom Tor entfernt, als er plötzlich die Hand hob und sich mit den Fingern durch das wellige braune Haar fuhr. Das war das Zeichen für Busch.
    Busch reckte den Hals, atmete tief ein und betätigte den Abzug. Der Laserstrahl jagte mit absoluter Präzision durch das Rauchglas der Heckscheibe, 150 Meter die Straße hinauf, und traf die Linse der Infrarotkamera genau in der Mitte.
    Diese Kameras funktionieren bei Tageslicht genauso wie bei Dunkelheit und sorgten damit bei Tag und

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