Der Dieb der Finsternis
– eine Falle, die sie alle das Leben kosten konnte.
Wieder fielen zwei, drei Schüsse, gefolgt von einer Salve, die dreißig Sekunden anhielt; dann kehrte wieder Stille ein.
Angespannt lag Michael da, während die Furcht ihm den Rücken hinaufkroch.
»Für den da brauchen wir kein Klebeband mehr«, sagte Busch, als er an der Hausecke auf der anderen Seite auftauchte und auf Michael zukam. »Und was jetzt, du Genie?«
Sie liefen zurück zur Vorderseite des Hauses und stellten fest, dass die Tür bereits offen war. »Das ist gar nicht gut«, sagte Michael.
»Wieso? Hier gibt’s Wachpersonal, Alarmanlagen und eine hohe Mauer. Warum da noch die Tür abschließen?«, meinte Busch.
Michael verschwieg seinem Freund, dass er befürchtete, in eine Falle zu laufen.
Sie betraten das Haus und gelangten durch eine Marmorhalle in einen großen modernen Salon. Sieben Meter hohe Fenster boten einen Ausblick auf einen türkisfarbenen Swimmingpool, der mit blauen Kacheln gefliest war, die aussahen, als hätte man sie geradewegs aus der Blauen Moschee gestohlen. Der Rand des Pools verschmolz mit dem Hintergrund, schien eins zu werden mit dem Bosporus, der knapp einen Kilometer entfernt war. An einer Seite stand ein Poolhäuschen, und die weiße Pergola wurde von bleichen Marmorsäulen getragen.
Die Mittagssonne durchflutete den Salon. Das Mobiliar war nüchtern und modern, beinahe unpersönlich: Tische aus gebürstetem Stahl, Acrylstühle, ein schwarzes Sofa ohne Armlehnen. Es gab keine Familienfotos, keine Erinnerungsstücke; alles sah so steril aus, als wäre es geradewegs einem Katalog entsprungen. Dies hier mochte Iblis’ Haus sein, doch war es gewiss kein warmes, freundliches Zuhause.
»He«, sagte Busch.
Michael drehte sich um und sah, dass Busch die Transportrolle in die Höhe hielt, deren äußere Lederverschalung von Wasserflecken verunziert war. Busch öffnete die Klappe und die innere Verriegelung. Dann blickte er Michael an. »Nichts.«
»Das wäre auch zu einfach gewesen«, erwiderte Michael. »Er hat sie entweder in einen Safe gelegt oder trägt sie mit sich.«
Michael entdeckte eine breite Treppe, die ins Untergeschoss führte. Auf dem Weg nach unten hielten beide Männer ihre Waffen im Anschlag, stets auf das Unerwartete gefasst.
Sie durchquerten das Untergeschoss, öffneten vorsichtig mehrerer Türen und spähten in die Zimmer dahinter. Es gab ein privates Kino, einen verglasten Fitnessraum, einen gut bestückten Weinkeller, ein leerstehendes Schlafzimmer. Sie stießen auch auf einen großen Spielraum, in dem ein Pooltisch, ein Kartentisch und eine Mahagoni-Bar standen. Gegenüber von einem großen Sofa war ein Flachbildfernseher an die Wand montiert.
»Und du bist sicher, dass du sie auf dem Bildschirm gesehen hast?«, fragte Busch.
»Absolut. Der Bildschirm war mit ›Untergeschoss‹ gekennzeichnet.«
»Sie sind aber nicht hier unten«, sagte Busch.
Michael schaute sich noch einmal um, fuhr mit den Fingerspitzen über die Wände und klopfte auf der Suche nach Hohlräumen auf den Fußboden.
»Vergiss es. Sie sind irgendwo anders«, meinte Busch. »Warum sollte Iblis einen Ort kennzeichnen, an dem er Leute gefangen hält, die er entführt hat?«
Michael schüttelte den Kopf. »Sie sind hier.«
»Diese Etage ist genauso angelegt wie die über uns«, entgegnete Bush. »Es gibt nicht genug Platz, um einen ganzen Raum zu verstecken.«
»Iblis ist ein Dieb«, hielt Michael dagegen. »Er hat seine Trophäen, seine Souvenirs. Er ist hochmütig. Es kann nicht sein, dass er in diesem sterilen Umfeld lebt.«
»Vielleicht wohnt er ja in dem Poolhäuschen«, meinte Busch halb im Scherz.
Michael ging zur Bar. Die Holztäfelung, die vom Boden bis zur Decke reichte, war aus dunklem afrikanischem Mahagoni, das mit Messing beschlagen war. Kunstvolle Messingleuchten standen zu beiden Seiten; die Glühbirnen waren heruntergedimmt und tauchten alles in einen warmen Schimmer. Die Eismaschine war voll, die Bar bestens bestückt mit Hunderten von Flaschen – von Ingwerwein bis Rum, von Absinth bis Tequila, Wodka, Whiskey, Frangelico und Grand Marnier, bis hin zu zweifach destilliertem türkischem Raki mit Anisgeschmack.
Michael untersuchte alles mit Bedacht. Die Rückwand war verkleidet mit unterteilten Schränken und Bar-Caddys, die ebenfalls aus dem dunklen afrikanischen Mahagoni gefertigt waren. Er strich mit den Fingerspitzen über die Vernahtungen, griff unter den Rand der Bar und öffnete die darunter
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