Der Dieb der Finsternis
dünnen Messerhalter geformt hatte, unter der Haut zu implantieren. Das messerförmige Instrument war aus Wolframstahl und besaß eine hauchdünne Klinge, die im Tageslicht funkelte. Es war schmal und perfekt dazu geeignet, nicht nur Handschellen und verschlossene Türen zu öffnen, sondern auch Fleisch vom Knochen zu lösen.
Iblis hatte es unter seine Haut implantiert für den Fall, dass er irgendwann in Not geriet. Dafür hatte er gern in Kauf genommen, an jedem Flughafen das »Metallrohr« erklären zu müssen, das angeblich seinen Ellbogen zusammenhielt, wobei er dann auch jedes Mal die »chirurgische« Narbe zeigte, die als unbestreitbarer Beweis seinen Unterarm verunzierte.
Jetzt hatte er das Messer aus seinem Arm herausgeschnitten, hatte seine Fingernägel benutzt, um die Oberhaut aufzuritzen und dann tief ins eigene Fleisch zu graben. Der Schmerz war grauenhaft gewesen; sich die eigene Haut vom Leib zu reißen, ohne Betäubung und ohne sehen zu können, war eine Tortur gewesen. Niemand im Mannschaftswagen hatte etwas bemerkt, als er schließlich das blutverschmierte Plastik mit einem nass klingenden Laut aus dem Fleisch gezerrt hatte. Als er die Waffe in der Hand hielt, die er ein Jahr zuvor wie einen Schatz versteckt hatte, legte sich ein grausames Lächeln auf seine Lippen.
Mit den Handschellen machte er kurzen Prozess. Als er dann die Hände frei hatte, benutzte er sie, um die ahnungslosen Männer zu töten, die ihn verhaftet hatten. Der Fahrer war in der Sekunde gestorben, in der die dünne Metallklinge in seinen Hirnstamm schoss. Der Mannschaftswagen blieb stehen, wo er stand, als die Ampel auf Grün schaltete.
Iblis blickte auf den toten Detective Kudret Levant, der ihn so verhöhnt hatte wegen seiner angeblichen Schuld und der nicht begriffen hatte, dass Iblis das Opfer war. Iblis tat das Einzige, was er für angemessen hielt: Er schnitt Levant die Augen aus dem Kopf. Dann fesselte er ihn mit seinen eigenen Handschellen, was von pfeifenden Geräuschen untermalt wurde, die von Levants Atem herrührten, der durch das kleine Loch unter seinem Adamsapfel zischte – einem Luftröhrenschnitt, den Iblis keineswegs aus Entgegenkommen vorgenommen hatte. Vielmehr stopfte er chirurgische Gummihandschuhe in Levants Nase und Mund, die aus dem Erste-Hilfe-Kasten des Mannschaftswagens stammten und luftundurchlässig waren. So war dafür gesorgt, dass Levant qualvoll starb, sobald das Blut um den Luftröhrenschnitt herum gerann, sodass er langsam erstickte.
Nun stand der Mannschaftswagen mitten auf der Straße und bewegte sich keinen Millimeter, obwohl die Ampel auf Grün sprang, doch seine rot und blau blinkenden Signalleuchten hielten jeden davon ab, zu hupen oder sich dem Fahrzeug zu nähern.
Iblis hielt Levants Mobiltelefon fest in der rechten Hand. In seiner Stimme schwangen trotz der Morde, die er soeben verübt hatte, weder Nervosität noch Erschöpfung mit.
»KC«, sagte er ruhig, »du wirst dir jetzt genau anhören, was ich zu sagen habe.«
36.
M ichael kam aus dem Bad. Die Dusche hatte ihm gutgetan. Er fühlte sich wie neugeboren. Zugleich hatte er Schmetterlinge im Bauch, wenn er an KC dachte – ein Gefühl, das er seit Marys Tod nicht mehr gehabt hatte. Seltsamerweise kam es ihm nicht so vor, als betrüge er seine verstorbene Frau. Er hatte sie von Herzen geliebt, und sie hatte seine Liebe bedingungslos erwidert. Michael wusste, dass sie sich für ihn freuen würde; sie hatte förmlich darauf bestanden, dass er noch einmal eine Frau fand. Michael griff nach dem goldenen Ehering, den er um den Hals trug. Er würde ihn zur Erinnerung an Mary immer tragen und niemals aufhören, sie zu lieben.
Michaels Handy riss ihn aus seinen Gedanken.
»Hey«, sagte er, nachdem er rasch sein Handy aufgeklappt hatte.
»Alles okay bei euch?«, fragte Busch.
»Uns geht’s gut. Wie geht es Simon?«
»Der kommt wieder in Ordnung. Er steht zwar unter Schock, und sie haben ihm etwa hundert Nähte am Schädel verpasst, aber ich wage zu behaupten, dass er Schlimmeres gewöhnt ist.«
»Ist er zu sich gekommen?«
»Ja, nachdem sie ihn mit Flüssigkeit vollgepumpt hatten. Er wird ein paar Tage hierbleiben müssen, bis die Schwellung nachgelassen hat.«
»Die Ruhe wird ihm guttun.« Michael schwieg einen Moment. »KC und ich fahren jetzt los, um dich abzulösen.«
»Kannst du mir einen Gefallen tun?«
»Jeden«, erwiderte Michael.
»Drei Cheeseburger, Pommes und eine Cola?«
»Klar doch.« Michael lachte. »Wir
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