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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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finden. Sie werden ihn töten.«
    »Ich schaffe dich hier raus«, wiederholte KC und blickte dabei auf Cindy, auf das viele Blut, das sie verloren hatte, und auf ihre blasse Haut.
    »Es tut mir leid, dass ich dich verurteilt habe für das, was du getan hast, um für mich zu sorgen.« Cindys Stimme war schwach. »Du hast alles für mich aufgegeben. Gib Michael nicht auch noch auf.«
    »Pssst«, entgegnete KC, um sie zu beruhigen, so wie sie es früher auch immer getan hatte, als sie beide noch jünger gewesen waren, damals, als das Leben ihnen die Mutter entrissen hatte und sie plötzlich ganz allein gewesen waren. KC nahm Cindy fest in die Arme, und erst da sah sie die Wunde in Cindys Bauch. Sie starb nicht am Blutverlust, den sie wegen der abgeschnittenen Finger erlitten hatte, sondern an inneren Verletzungen.
    In KCs Armen verlor Cindy das Bewusstsein. KC drückte sie nur noch fester an sich, wiegte sie, beruhigte sie. Verzweiflung erfasste sie. Jetzt stand sie kurz davor, alles zu verlieren: Cindy, Michael …
    »He.«
    KC drehte sich um und sah Busch im Türrahmen stehen. Als er Cindy erblickte, nahm sein Gesicht mitleidige Züge an. Er kam herein und kniete sich neben KC.
    »Ich werde Michael holen«, flüsterte Busch.
    »Nein«, sagte KC vehement. »Das kann ich selbst.«
    »Das lasse ich nicht zu. Du musst dich um deine Schwester kümmern.«
    »Ich kann nichts für sie tun.« KCs Stimme bebte, und sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. »Iblis wird dich töten, sobald er dich sieht. Ich kann an ihn ran, Paul.« Mit flehendem Blick sah KC ihn an. »Ich muss es tun.«
    »Alleine schaffst du es nicht.«
    »Kümmere du dich um Cindy«, bat KC.
    Busch atmete tief ein. Es dauerte eine ganze Weile, bis er die Luft wieder ausstieß. Dann hob er Cindy behutsam aus KCs Armen und erhob sich. Dabei blickte er hinunter auf die regungslose Cindy, deren Gesicht an das eines Kindes erinnerte. Schließlich blickte er KC wieder an. »Du holst ihn da raus, und dann kommst du wieder hierher zurück, oder ich komme dir hinterher. Verstanden?«
    »Danke, Paul.« KC küsste ihre Schwester auf die Stirn und rannte aus der Tür.

59.
    H emi Masko bog im ersten Stock um die Ecke. Allmählich wurde ihm wieder warm. Er hatte dem Winter noch nie etwas abgewinnen können; er stand auf Strandkultur. Nur dreimal in seinem Leben war er im Schnee gewesen, und das reichte ihm.
    Bei einer Größe von eins fünfundsiebzig und einem Gewicht von hundert Kilo war Hemi so breit wie hoch. Sein Leben war nicht so verlaufen, wie er es sich erhofft hatte. Er war ein Ringer gewesen, spezialisiert auf den griechisch-römischen Stil, aber im Alter von neunzehn Jahren hatte ihm ein Gegner den Arm ausgekugelt und seiner Karriere ein jähes Ende gesetzt.
    In den darauffolgenden Jahren stellte Hemi fest, dass er mit seinen kämpferischen Fähigkeiten in den Hinterhöfen Istanbuls sehr viel mehr Geld verdienen konnte, als es auf einer Ringermatte je der Fall gewesen wäre.
    Seit zwei Jahren arbeitete Hemi sporadisch für Iblis und hatte bereits Fluchtwagen chauffiert, Schmiere gestanden und als Verstärkung fungiert. Aber bei all diesen Jobs war er nie in eine Situation wie diese geraten, in der er einen vereisten Berg hatte erklimmen und durch einen mit Schätzen vollgepackten Tempel hatte stapfen müssen, der aussah wie aus dem Märchen. Aberglaube und Religion waren noch nie sein Ding gewesen, aber nachdem er diese Räume hier gesehen hatte, in denen Gold und Silber sich häuften, nachdem er dieses unerklärlich grüne Land inmitten eines Berges gesehen hatte, der zurzeit von einem Schneesturm heimgesucht wurde, wollte er sich das mit der Glauberei noch mal gut überlegen und abwägen, ob es nicht doch etwas gab auf dieser Welt, was über die Wirklichkeit hinausging, die er für die Wirklichkeit hielt.
    Als Hemi um die Ecke bog, sah er die Frau, die sich in den Schatten des ersten Gangs versteckte, der vom zentralen Mandala-Vestibül abging. Venues Tochter war zurückgekehrt, und dieses Mal hatte sie eine Waffe.
    Sofort ging Hemi in die Hocke, hob seine Waffe, legte an und zielte auf die Stirn der blonden Frau. Es war einige Zeit her, seit er zum letzten Mal jemanden getötet hatte. Damals hatte er es weder als erregend noch als verabscheuungswürdig empfunden; er hatte es vielmehr damit verglichen, ein Insekt zu zerquetschen, das an der Wand saß. Hemi schloss das linke Auge und richtete die Waffe genau auf sein Ziel.
    Da vernahm er hinter sich

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