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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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plötzlich einen Laut. Mit gehobener Waffe drehte er sich um, entspannte sich aber sofort wieder, als er sah, dass es Iblis war, der sich ihm näherte. Hemi wandte sich wieder seiner Zielscheibe zu und richtete den Gewehrlauf erneut auf KC. Er krümmte den Abzugsfinger …
    … und hatte auf einmal kein Gefühl mehr im Körper. Hemi fiel nach hinten und konnte seine Beine plötzlich ebenso wenig spüren wie seine Arme. Sein ganzer Körper war gefühllos. Er versuchte zu atmen, aber seine Lunge gehorchte ihm nicht mehr. Er versuchte zu schreien, doch der einzige Laut, den er hörte, war das entsetzte Kreischen in seinem Kopf.
    All seine Sinne hatten Hemi verlassen, nur sehen konnte er noch. Als er nach oben blickte, überschlugen sich seine Gedanken, denn KCs Retter blickte auf ihn hinunter – sein Mörder, der Mann, der ihn von der Straße geholt und ihm all die Jahre Arbeit gegeben hatte. Der Letzte, von dem Hemi erwartet hätte, dass er ihm den Rückenmarkskanal durchtrennte.

60.
    G ianni kam als Erster die steinerne Treppe hinunter, dicht gefolgt von Karl, dem zwanzigjährigen Anfänger. Bendi und Thut, die Brüder, kamen als Nächste. Ihnen folgte Venue, der daherstolzierte wie ein siegreicher König, der ein neu erobertes Reich inspizieren wollte.
    Sie betraten die Höhle, in der es gespenstisch dunkel war. Nur zwei Fackeln brannten, und die hingen fünfzig Meter weit weg. Wo der tunnelartige Gang zehn Minuten zuvor im Fackelfeuer erglüht war, tanzten jetzt zwischen den Stalaktiten und Stalagmiten dunkle Schatten, als huschten Dämonen umher. Während die Wachhunde sich bei dem höllischen Anblick sichtlich verspannten, zeigte Venue sich kein bisschen beeindruckt. Er fühlte sich wie zu Hause.
    »Wo ist Michael?«, fragte er und sah sich um.
    »Wo ist Silviu?«, fragte Gianni, der sich um seinen Freund sorgte.
    Alle ließen suchend den Blick schweifen. Gianni und Karl flankierten Venue. »Sie müssen wieder nach oben gehen«, sagte Gianni.
    »Nicht, solange der Kerl hier unten frei herumläuft«, erwiderte Venue. »Sucht ihn. Tötet ihn. Jetzt sofort.«
    Jeder der vier Wachhunde, die sich um Venue scharten, war bereit, sich für ihn eine Kugel durch den Kopf jagen zu lassen, als wäre er der Präsident. Gianni ging zu der Tür aus Ebenholz. Die anderen folgten ihm wie in Formation. Gianni leuchtete mit seiner Taschenlampe in die Kammer und stellte fest, dass im Innern nur eine einzige Fackel brannte. Von Michael und Silviu fehlte jede Spur.
    »Ich glaube wirklich, Sie sollten oben warten, bis wir ihn gefunden haben«, sagte Gianni zu Venue.
    »Wie lustig. Ich dachte eigentlich, ich hätte hier das Sagen.« Venue warf seinem Wachhund einen vernichtenden Blick zu. »Nimm einen Mann mit und durchsucht die Höhle. Zwei Männer bleiben bei mir in diesem Raum.«
    Gianni verkniff sich ein neuerliches Aufbegehren und nickte Karl zu, wodurch er ihm wortlos den Befehl erteilte, ihn zu begleiten. Bendi und Thut flankierten Venue. Gemeinsam betraten sie die mit Gold gefüllte Kammer, während Gianni und Karl sich auf den Weg zu den beiden Fackeln machten, die in der Ferne brannten.
    Sie schalteten ihre Taschenlampen aus, um nicht zu Zielscheiben zu werden, und teilten sich. Die Höhle war sehr groß; die vielen Kalzitsäulen und sonstigen Kalkablagerungen unterteilten den gewaltigen Raum, schufen Nischen und Vorsprünge, wo sich leicht jemand verstecken konnte. Die Temperatur betrug mindestens vierzig Grad. Der Schweiß lief Gianni über den Rücken und durchtränkte das Gurtband seiner Hose. Er hielt sein Gewehr schussbereit, während er den Blick suchend durch die Dunkelheit schweifen ließ und sich an der Wand entlang bewegte, wobei er die Stalagmiten als Deckung nutzte. Die zwei brennenden Fackeln waren jetzt nur noch etwa dreißig Meter entfernt.
    Gianni bewegte sich auf sie zu und benutzte den Schein ihres tanzenden Lichts, um nach Bewegungen Ausschau zu halten, nach irgendeiner Spur von Michael. Er machte sich nicht die Mühe, nach Silviu zu suchen, denn er hatte nicht den geringsten Zweifel, dass er tot war. Der Rumäne war sein Freund; sie waren seit Jahren für Iblis tätig und trieben sich nicht nur beruflich gemeinsam in der Unterwelt Istanbuls herum, sondern verbrachten auch viel Freizeit miteinander, vorwiegend damit, sich zu betrinken. Gianni gelobte, auf den toten Freund anzustoßen, sobald er dessen amerikanischen Mörder ins Jenseits befördert hatte.
    Jetzt waren die Fackeln noch zwanzig Meter

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