Der Dieb der Finsternis
erwischt worden?«
»Nein.« KC schüttelte den Kopf. »Ich habe immer nur ein, zwei hochkarätige Jobs im Jahr durchgezogen. Kunstgegenstände und Juwelen. Dinge, die man leicht in die Tasche stecken kann.«
Michael nickte, und sie gingen weiter.
»Und weißt du«, fuhr KC fort, »ich habe mich jedes Mal dafür gehasst. Ich hatte Todesangst, dass man mich schnappt und ins Gefängnis steckt und dass Cindy auf der Straße endet. Aber am meisten hat mir Angst gemacht hat, dass sie herausfinden könnte, was ich tat. Diese Angst hat mich oft mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen. Ich war eine Verbrecherin geworden. Ich predigte Cindy über Recht und Unrecht, über Ehrlichkeit und Integrität, verstieß selbst aber dagegen. Ich hatte ihr eine Art Bild gemalt von dem, was nicht stimmte mit der Welt – und weißt du was? Dieses Bild war ich. Ich war, was sie auf keinen Fall werden sollte. Ich wollte, dass sie eine Ausbildung bekam und den besten Beruf ergriff. Ich wollte Sicherheit für sie. Und um das zu erreichen, musste ich meine moralischen Anschauungen außer Acht lassen und tun, was ich tun musste.«
Michael konnte den Schmerz in ihren Augen sehen. Er verstand sie sehr viel besser, als ihr bewusst war – sie hatte ihre Kindheit geopfert, um einem anderen Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen.
»Manchmal sind wir gezwungen, schwierige Dinge zu tun«, erwiderte Michael. »Schreckliche Dinge. Für die Menschen, die wir lieben. Und wir können nicht zulassen, dass wir wegen unserer Handlungen die Ehrbarkeit unserer Absichten vergessen, egal, wie kläglich wir sie selbst finden.« Michael stockte und drehte sich zu ihr um. »Deine Schwester kann sich glücklich schätzen. Und dass du sie zu einer Zeit großgezogen hast, als du selbst fast noch ein Kind warst …«
Michael brauchte nicht weiterzusprechen. Er verstand, und er verurteilte sie nicht mehr.
»Bei mir hat es damit angefangen …« Michael musste beinahe lachen und hoffte, der Melancholie des Moments damit ein Ende zu bereiten. »Ich habe einem Freund bei so einer Sache in der Schule geholfen. Es lässt sich natürlich nicht damit vergleichen, eine Schwester großzuziehen, aber ich muss zu meiner Schande gestehen, dass es mir Spaß gemacht hat.«
»Du hast es getan, weil du Freude daran hattest?«
Michael überlegte. »Zuerst ja. Ich bekam dieses Gefühl, diesen Adrenalinrausch.«
KC grinste. »Das Gefühl kenne ich.«
»Es war wie eine Droge. Es fühlte sich gut an, aber gleichzeitig fühlte man sich schuldig.«
KC nickte.
»Ich habe niemals etwas gestohlen, was der andere nicht verschmerzen konnte«, fuhr Michael fort. »Es waren fast immer Dinge, die Leuten gehörten, die sie selbst gestohlen hatten. Ich hatte nie böse Absichten. Und irgendwie habe ich das alles hinter mir gelassen, als man mich vor ein paar Jahren geschnappt hat.« Michael hatte nicht vor, darauf hinzuweisen, dass man ihn nur deshalb gefasst hatte, weil er einer Frau das Leben hatte retten wollen. »Seit damals habe ich es nur noch gezwungenermaßen getan.«
»Hat Simon dich dazu gezwungen?«, fragte KC.
»Nein. Wenn überhaupt, habe ich ihn gezwungen. Wie war es bei dir?«
»Wir hatten ähnliche Ziele.«
»Wie oft hast du Simon schon geholfen?«
KC lächelte, denn sehr viel mehr wollte sie jetzt nicht beichten. »Belassen wir es einfach dabei, dass wir einander von Zeit zu Zeit geholfen haben.«
»Und jetzt musst du ihm wieder helfen?«
KC schaute weg. »Ich habe es ihm versprochen, Michael.«
»Ich weiß«, erwiderte Michael verständnisvoll. Er wollte die Hand nach ihr ausstrecken und sie berühren, damit sie spürte, was in ihm vorging. »Simon ist ein großer Junge, er kann es allein schaffen.«
Gedankenverloren stand KC da.
»Warum fliegst du nicht morgen früh mit uns zurück?«
»Ich habe ein Versprechen gegeben«, erwiderte KC und blickte Michael dabei fest in die Augen.
»Denk einfach mal darüber nach«, gab Michael lächelnd zurück. »Sag jetzt nichts dazu, denk einfach nur darüber nach.«
9.
S imon, Busch und Cindy saßen in einem kleinen Straßencafé in der Nähe des Four Seasons Istanbul und hatten sich gerade ein Frühstück genehmigt.
»Wie lange kennt ihr KC schon?«, wollte Cindy von Busch und Simon wissen. Die Sonne des Spätvormittags blitzte in ihrem kastanienbraunen Haar.
»Oh, das müssen jetzt schon bald dreißig Tage sein«, witzelte Busch und trank dabei seinen zweiten starken Mokka.
»Hör am besten gar nicht auf
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