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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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zusammen. Die Mutter des Sultans, die man Valide Sultan nannte, war die mächtigste Frau des Reiches. Sie hatte die Kontrolle über den Harem und war Beraterin ihres Sohnes. Manchmal handelte sie auch an seiner Stelle. Die Lieblingskonkubinen des Sultans, die sogenannten Kadinen, wurden als Ehefrauen betrachtet. Der Gesetzgeber gestand dem Sultan nur vier Gattinnen zu. Ebenfalls im Harem waren die Sultanas untergebracht, die Töchter des Sultans, sowie ihre Dienerinnen. Sie waren Sklavinnen, sogenannte Odalisken oder Haremsdamen. Und wie Sie sich bestimmt schon gedacht haben, gab es eine Vielzahl von Konkubinen im Alter zwischen siebzehn und dreiundzwanzig, deren einzige Aufgabe darin bestand, den Sultan in seinem Schlafzimmer zu unterhalten. Aber um mit einem Mythos aufzuräumen: Hier gab es keine Orgien, nicht mehrere Partnerinnen in der gleichen Nacht. Die Konkubinen waren nicht nur wunderschön, sie waren auch gebildet und kultiviert, nachdem sie in den Haremsschulen eine strenge Ausbildung genossen hatten.
    Die meisten Mädchen waren entführt worden, oder man hatte sie auf dem Sklavenmarkt ersteigert. Manche wurden ihren Eltern abgekauft, die meist arme Bauern waren. In aller Regel waren sie zwischen sieben und fünfzehn Jahren alt, wenn sie hierherkamen, und längst nicht alle kamen aus dem Osmanischen Reich. Während man einige Mädchen im Land des Sultans fand, kamen viele von weither. Zumeist handelte es sich um Europäerinnen, darunter Deutsche und Ungarinnen. Sie wurden nur an den Hof gebracht, um dem Sultan zu dienen. Obwohl sie verschiedenster Nationalität waren, hatten sie eines gemein: außerordentliche Schönheit.
    Sie wurden in den Künsten unterwiesen, in Poesie und Gesang. Sie lernten Instrumente zu spielen, zum Beispiel die Harfe. Man lehrte sie, Türkisch zu sprechen und zu lesen, und brachte ihnen alles bei, was sie über die Etikette und Sitten des Harems und des Reiches wissen mussten. Sie lernten zu nähen, zu sticken, und die Kunst der erotischen Genüsse …«
    »Ich habe diese Worte noch nie im gleichen Satz gehört«, warf ein hässlicher, übergewichtiger Amerikaner ein.
    Hamer ignorierte die Bemerkung. »Vor allem aber waren die Frauen, die in den Harem kamen, fast alle Christinnen. Sie wurden ausnahmslos gezwungen, zum islamischen Glauben überzutreten.
    Im Schnitt befanden sich etwa vierhundert Konkubinen im Harem, doch gab es Zeiten, da die Zahl auf über tausend stieg. Eine Konkubine hatte nur ein einziges Mal Geschlechtsverkehr mit dem Sultan, es sei denn, sie besaß eine besondere Fähigkeit oder wurde eine der Lieblingsfrauen des Herrschers. Wenn sie nicht schwanger oder seine Lieblingsfrau wurde, schenkte man sie den Wesiren – den Beratern des Sultans – oder Generälen, anderen Würdenträgern und bedeutenden Persönlichkeiten.
    Der Harem umfasst mehr als vierhundert Zimmer, die allesamt exquisit dekoriert sind mit kunstvollen Kacheln und Gemälden mit einmaligen Motiven …«
    Der Reiseführer redete weiter, doch Michael und KC schenkten ihm nur wenig Beachtung, als sie durch das Labyrinth der Korridore an Hunderten von Zimmern vorüberschlenderten. Es gab Schlafbereiche, große Badehäuser, Schwimmbecken, geräumige Gärten, Brunnen, endlose Flure sowie Wohnungen für die Kadinen des Sultans und die Valide Sultan. Es gab Dutzende von Räumlichkeiten, die einst von den jungen Haremsschülerinnen benutzt worden waren, und nicht überdachte Innenhöfe und Balkone. Jedes Zimmer, jede Wand war mit großartiger Kunst geschmückt – Mosaike, Gemälde und Kalligraphie.
    Michael und KC schauten sich um, als studierten sie für ein Examen, saugten ihre Umgebung förmlich in sich auf und prägten sich jeden Gang und jede Tür ein.
    »Der Harem war in drei Bereiche unterteilt«, fuhr Hamer fort. »Es gab den eigentlichen Harem, in dem sich die Konkubinen, die Haremsschülerinnen, die Odalisken und die anderen Frauen aufhielten; dann gab es die Privatgemächer des Sultans, die er jederzeit aufsuchen konnte, um sich dort von den Frauen unterhalten zu lassen, und schließlich gab es die Kasernen für die schwarzen Eunuchen, die Haremswächter.
    Nach muslimischer Tradition durfte kein Mann ein Auge auf den Harem eines anderen Mannes werfen. Eunuchen wurden aufgrund ihrer Kastration im Hinblick auf die Unantastbarkeit des Harems als harmlos betrachtet, da die Frauen keine Verlockung für sie darstellten, sodass sie als uneingeschränkt loyal gegenüber dem Sultan galten. Eunuchen waren

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