Der Dieb der Finsternis
dich da raus.« KC sprang auf und schob sich an ihm vorbei.
»Da hast du keine Chance.« Michael blieb ihr auf den Fersen.
KC stapfte durchs Wohnzimmer, riss die Tür auf und warf sie hinter sich ins Schloss.
Busch sah Michael an. »Das hast du toll gemacht.«
»Ach, rutsch mir den Buckel runter.«
***
Busch betrat seine Suite im Four Seasons Hotel und ging hinaus auf den Balkon, wo KC in einem Korbstuhl saß und Löcher in die Luft starrte. Ihr Blick war voller Schmerz.
»Ich sehe, dass es außer Michael noch jemanden gibt, der weiß, wie man ohne Schlüssel in fremde Zimmer eindringt.«
KC starrte weiter auf das Wasser; Buschs Versuch, die Situation aufzulockern, ignorierte sie.
»KC.« Busch hockte sich vor sie auf den Boden. »Michael arbeitet nicht gegen dich. Er hat alles, was du durchmachst, bereits hinter sich. Er weiß, wie es ist, wenn man das Leben eines anderen Menschen in der Hand hält.«
»Ich werde allein damit fertig.«
»Wirklich?« Buschs tiefe Stimme war so leise, dass sie wie ein Flüstern klang. »Kannst du dich auf das Wesentliche konzentrieren, wenn du weißt, dass das Leben des Menschen, den du liebst, von deinem Erfolg abhängt? Ich bin sicher, dass du auf deinem Gebiet ein Ass bist, aber du kannst das allein nicht schaffen. Du kannst mit Michael Schluss machen, aber verzichte nicht auf seine Hilfe.«
»Das Ganze ist meine Schuld«, sagte KC unvermittelt. »Und ich kann es auch wieder hinbiegen.«
»Vor ein paar Jahren kannte ich jemanden, dessen Frau im Sterben lag. Er hätte alles getan, um sie zu retten.« Busch hielt einen Moment inne. »Er hat sich allein aufgemacht und es versucht«, fuhr er dann fort. »Und weißt du, so sehr er sie retten wollte, hat er damit alles nur schlimmer gemacht – viel schlimmer, als du dir vorstellen kannst. Er war anfangs nicht bereit, von irgendjemandem Hilfe anzunehmen. Ich musste ihm meine Hilfe im wahrsten Sinne des Wortes aufzwingen. Und jetzt versucht der gleiche Knabe, nämlich Michael, dir zu helfen. Gemeinsam können wir sie zurückbekommen und die Dinge in Ordnung bringen.« Busch blickte aufs Meer hinaus, erstaunt über seine eigenen Worte. Er versuchte tatsächlich, einen Menschen zu überreden, ein Verbrechen zu begehen – er, ein ehemaliger Polizist. Doch er wusste, was auf dem Spiel stand, denn er kannte die Seelenqualen und die Schuldgefühle, die KC plagten. »Vertraue mir. Und vertraue Michael.«
Endlich schaute sie Busch an. In den Augenwinkeln sah sie, dass Michael in diesem Moment die Tür öffnete und aus dem Flur in die Suite kam. Er trug Simons Aktentasche, die fast aus den Nähten platzte, unter dem Arm.
Der Augenblick zog sich dahin. Michael hielt die Tasche ganz fest und betrat das Wohnzimmer. Busch ließ den Blick zwischen den beiden hin und her wandern, wartete, hoffte …
Schließlich stand KC auf.
»Es ist eine Stange, ungefähr sechzig Zentimeter lang«, sagte sie. »Sie wird von zwei Schlangen umwunden, die einander die Köpfe zuwenden und die Zähne fletschen. Die Augen sind aus Rubinen, die Zähne aus Silber. In Simons Aktentasche gibt es eine Zeichnung.«
Busch stand im Türrahmen des Balkons und zwinkerte Michael mit wissender Miene zu.
Michael öffnete Simons Tasche, zog Papiere heraus und legte sie auf dem großen Sofatisch aus. KC setzte sich vor Michael aufs Sofa. Sie wechselten einen kurzen Blick, mit dem der Waffenstillstand ausgerufen wurde. Dann blätterte KC die Unterlagen durch und zog die Reproduktion eines Gemäldes hervor, das einen schwergewichtigen Mann zeigte, dessen rundes Gesicht fast gänzlich unter einem schwarzen Bart verschwand und der über einem weißen, mit Gold abgesetzten Hemd ein langes, tiefrotes und blaues Ornat trug. Auf seinem Kopf thronte ein riesiger weißer Turban, in dessen Mitte ein Diamant prangte; die Enden der grünen Quaste bestanden aus Perlen. Er fläzte sich auf einem Meer aus grünen Kissen. Vor ihm stand eine kleine Heerschar von Untertanen. In der rechten Hand hielt er einen Stab, während er die Linke erhoben hielt und auf seine Leute wies.
Dem Gemälde lag ein Foto bei, das eine Vergrößerung des Stabes und damit die Detailarbeit zeigte, eine mit Juwelen besetzte dunkle Stange mit zwei Schlangen, die sich um die Stange wanden und deren Körper mit Edelsteinen verziert waren. Am oberen Ende des Stabes wandten die beiden Schlangen einander die Köpfe zu, mit weit aufgerissenen Mäulern, bereit zuzubeißen. Ihre tödlichen Silberzähne
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