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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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Unternehmen und Pseudonymen nicht ermitteln. Deshalb war das Haus der Zufluchtsort, an den Venue sich zurückziehen konnte, falls seine Welt zusammenbrach – ein Ort, an dem er mehr als fünf Millionen Euro hortete, Diamanten im Wert von weiteren fünf Millionen und ein Waffenarsenal. Das Haus verfügte über einen Bunker, der mit Wasser- und Lebensmittelvorräten ausgestattet war, die für sechs Monate reichten, und war jederzeit benutzbar für den Fall, dass es so aussehen musste, als wäre Venue spurlos verschwunden. Auf einem speziellen Server mit einer undurchdringlichen Firewall befanden sich Sicherungskopien seiner gesamten Firmen-Computerdateien, und daneben stapelten sich konventionelle Papierausdrucke seiner Akten: Dokumente, mit denen er nicht nur seine Konkurrenten, sondern auch seine Angestellten unter Druck setzen oder vernichten konnte. Er nannte sie liebevoll seine »Angstmacher-Akten«, denn es waren Papiere, von deren Inhalt die Leute hofften, dass weder ihre Angehörigen je davon erfuhren noch die Polizei oder die Regierung.
    Er zog die erste Akte heraus. Darin ging es um einen seiner Rechtsanwälte, Ray Jaspers, einen Mann, der wesentlich dazu beigetragen hatte, Venues Unternehmen aufzubauen und sein Vermögen anzuhäufen. Die Akte enthielt nicht nur seinen detaillierten Lebenslauf, sondern auch eine Fülle von Informationen über sein Faible für das Glücksspiel und minderjährige Mädchen sowie eine Auflistung der Geldbeträge, die er in seiner Zeit in den USA der Mafia geschuldet hatte. Venue nahm den nächsten Vorgang in die Hand. Darin ging es um einen Mann, den er als seine rechte Hand betrachtete und der Venue noch nie enttäuscht hatte. Es war ein Mann, in dessen Händen Venues Zukunft lag. Als er durch das dicke Dossier blätterte, in dem das gesamte Vorstrafenregister aufgeführt war, sämtliche Raubüberfälle und Morde, legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. Venue war zwar ein Mann, von dem behauptet wurde, er sei zu keinerlei Gefühl fähig, aber falls er doch eine weiche Stelle im Herzen hatte, gehörte sie jemandem wie Iblis.
    Zwanzig Jahre zuvor, als Venue mit dem Aufbau seines Imperiums begonnen hatte, suchte er nach Menschen, die das Fundament seines Unternehmens bilden sollten, nach fähigen Köpfen, die er brauchte, um seine Ziele zu erreichen. Zum einen waren es Finanzvorstände und Bilanzbuchhalter, Steuerexperten und Juristen, zum anderen aber auch Leute, die keine Universität besucht hatten und deren besondere Begabungen in der Geschäftswelt nicht als die Norm galten. Venues Unternehmenskonzept, das er während seiner Jahre im Gefängnis entwickelt hatte, sah zwingend vor, dass Gesetze gebrochen und Dinge erledigt wurden, für die er selbst zwar qualifiziert war, in die er jetzt aber nicht mehr persönlich verwickelt sein durfte.
    Der Mann, der als Straßengangster begonnen hatte und anschließend Priester gewesen war, hatte in der Geschäftswelt seine wahre Berufung gefunden: Drei Jahre nach Venues Entlassung aus dem Gefängnis hatte seine Investment-Firma bereits mehr als zwanzig Millionen Pfund verdient. Er hatte seine angeborene Fähigkeit zu schachern verfeinert, indem er Methoden anwandte, die er auf der Straße gelernt hatte: Druck, Einschüchterung, Bedrohung und Erpressung. Er nutzte die Schwächen seiner Konkurrenten und fand die Stellen, an denen sie verwundbar waren, um sie auszubeuten. Und er suchte nach einem ebenbürtigen Verstand, mit dem er sich in der Umgangssprache der Straße austauschen konnte.
    So kam es, dass Venue eines schönen Tages vor zwanzig Jahren in Brighton in der hintersten Ecke eines heruntergewirtschafteten Pubs gesessen hatte, in dem die Winterwinde, die vom Ärmelkanal herüberwehten, durch die undichten Fenster und Türen zogen. In seinem dreiteiligen, anthrazitfarbenen Nadelstreifenanzug, den er sich in London hatte maßschneidern lassen, wirkte er wie ein Fremdkörper unter den Arbeitern des Ortes. Er nippte an einem verschmierten, am Rand abgesplitterten Glas Ale und hörte über den Lärm der vielen Leute hinweg, die an der Theke das Ende ihres Arbeitstages feierten.
    Der junge Mann nahm gegenüber von ihm auf der Eckbank Platz. Er war dünn und höchstens eins siebzig groß, sodass er neben dem eins zweiundneunzig großen Venue wie ein Zwerg wirkte.
    »Hallo, Chris«, begrüßte Venue ihn.
    Der dürre junge Mann saß einfach nur da, und sein kindliches Gesicht zeigte keine Regung, als seine Identität enthüllt wurde.
    »Ich

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