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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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seiner rechten Gesichtshälfte breitete sich über dem Auge und auf der Wange ein Bluterguss aus. Cindy nahm den Eisbeutel und drückte ihn mit dem Kissen gegen Simons Kopf.
    Schließlich erhob sie sich von der Pritsche, ging zur Stahltür und schaute auf die Wand aus gebürstetem Stahl, die sie von der Freiheit trennte. Da war kein Griff, keine Notentriegelung. Es gab kein Telefon, keine Sprechanlage. Das Handy hatten Iblis’ Männer ihr abgenommen; es hätte hinter dieser Metallverschalung sowieso nicht funktioniert.
    Es gab keine Möglichkeiten, mit der Außenwelt in Verbindung zu treten.
    Mit beiden Fäusten schlug sie voller verzweifelter Wut gegen die Tür. Ihre Gefühle brachen sich Bahn. Tränen der Wut strömten ihr über die Wangen, als sie wild zu schreien begann: »Mach die verfluchte Tür auf!«
    Sie wollte noch nicht sterben.

18.
    L angsam ging die Sommersonne unter und tauchte die erdfarbenen Häuser Istanbuls in eine Farbenpracht aus glühenden Rottönen. Der Duft von gebratenem Lamm, das die Straßenverkäufer unten zum Verkauf anpriesen, wehte durch die offenen Fenster hinein in die Welt des Four Seasons Hotels.
    Michael saß auf dem Fußboden seiner Suite, Simons Aktentasche auf dem Schoß. Sie war vollgepackt mit Recherchen und Landkarten, die aus den Beständen des Vatikans stammten und die man Simon zur Verfügung gestellt hatte. Michael blätterte durch das umfangreiche Informationsmaterial über das Topkapi-Museum, in dem es sowohl um die ausgestellten Kunstgegenstände und deren Geschichte ging als auch um die Sicherungs- und Alarmanlagen. Regierungsunterlagen waren ebenfalls dabei.
    Die Grundrisszeichnungen waren detailliert und gaben Aufschluss darüber, wie der Palast im Lauf der Zeit immer weitläufiger geworden war, als man die Anlage über die Jahrhunderte hinweg kontinuierlich ausgebaut hatte. In den unteren Stockwerken befanden sich Maschinen-, Büro- und Lagerräume. Dort gab es Gänge, die durch Wasserrohre führten, versteckte Räume und längst vergessene Tunnel, durch die man Haremsmädchen aus dem Palast heraus- und wieder hineingeschmuggelt hatte. Eunuchen hatten diese Tunnel erbaut; sie waren lange Zeit ein wohlgehütetes Geheimnis gewesen, an das sich heute niemand mehr erinnerte.
    Michael hatte den Brief gelesen, den KC und Simon in Amsterdam gestohlen hatten, wusste aber nicht, was die Worte zu bedeuten hatten. Er schaute auf die religiösen Symbole von Christentum, Judentum und Islam, die in der oberen Ecke zu sehen waren und die Simon mit roter Tinte eingekreist hatte, doch er hatte keinen Schimmer, was sie zu bedeuten hatten.
    Busch und KC saßen auf dem Sofa und überflogen noch einmal, was sie inzwischen in Erfahrung gebracht hatten. KC hatte sich Einzelheiten zu Selims Mausoleum und zu dem Innenraum notiert, in dem sich sein Sarkophag befand – Informationen, die man in den Broschüren und Touristenkarten nicht fand. KC und Michael waren beide in ihrer eigenen Welt; sie planten und grübelten, verwarfen und planten neu.
    Alle drei hatten die letzten paar Stunden damit verbracht, jedes Stückchen Papier zu lesen und sich Notizen zu machen. Erst später wollten sie ihre jeweiligen Schlussfolgerungen miteinander vergleichen, um die Deutung des vorliegenden Informationsmaterials nicht zu beeinflussen. Vielleicht waren bestimmte Dinge, die der eine übersehen hatte, dem anderen aufgefallen.
    Es war nach zwanzig Uhr, als Michael endlich von seinem Papierberg aufsah, sich erhob und sich streckte. Er nahm mehrere Dokumente vom Stapel – darunter die Kopie eines Briefes des Großwesirs – und steckte sie in seine Hosentasche.
    »Hättet ihr Lust, mal eine Weile hier rauszukommen?«, fragte er.
    Busch legte seine Papiere zur Seite und trank den letzten Schluck aus seiner Bierflasche. »Gott sei Dank. Ich weiß ja nicht, wie es bei euch aussieht, aber ich hatte schon vor einer Stunde Hunger.«
    »Ans Essen hatte ich eigentlich nicht gedacht.« Michael lächelte und öffnete die Tür.
    Auch KC erhob sich. Die emotionale Erschöpfung stand ihr ins Gesicht geschrieben.
    »Wohin gehen wir?«, fragte sie.
    »Hättest du Lust, in einen Palast einzubrechen?«
***
    Michael und KC durchquerten die Hotelhalle und gingen nach draußen zu einer wartenden Limousine, deren Hintertür bereits für sie offen stand. Michael schaute sich um, weil er Busch suchte, aber der war nirgendwo zu sehen.
    »Meinst du, er ist in der Bar?«, fragte KC.
    Michael schüttelte den Kopf. »Steig du schon

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