Der Dieb der Finsternis
Zentraleuropa gesandt worden, als es während des Vierten Kreuzzuges im Jahre 1204 zum Angriff auf Konstantinopel kam.
Die Wände waren verkleidet mit Platten aus grünem und weißem Marmor und lila Porphyr und mit aufwendigen goldenen Mosaiken geschmückt, die Jesus, die Jungfrau Maria, Heilige, Kaiser und Kaiserinnen darstellten.
Nach achtwöchiger Belagerung führte Sultan Mehmed II. die Truppenverbände der Türken am 29. Mai 1453 nach Konstantinopel, eroberte die Stadt und beendete damit nicht nur die Herrschaft des Byzantinischen Reiches, die eintausend Jahre gewährt hatte, sondern läutete zugleich das Goldene Zeitalter des Osmanischen Reiches ein.
Während der Sultan seinen Streitkräften befahl, gegen die Byzantinische Apostelkirche zunächst nicht vorzugehen, damit er dort seinen eigenen Patriarchen einsetzen konnte, um besser mit seinen christlichen Untertanen fertig zu werden, befahl er die sofortige Unwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee. Die Glocken, der Altar und die Opfergefäße wurden entfernt; viele der christlichen Mosaike wurden mit der Zeit zugegipst. Ein Mihrab – eine Gebetsnische –, ein Minbar – eine Kanzel – sowie vier Minarette wurden errichtet. Bis 1935 blieb die Hagia Sophia eine Moschee; dann wurde sie vom türkischen Staat in ein Museum umgewandelt.
Michael und KC verließen das Bauwerk durch den Hinterausgang und liefen einen langen Weg hinunter, während KC geradewegs auf das mittlere der drei Gebäude zuhielt, die sich an der Südwestseite des Museums befanden. Das Grabmal von Selim II. war ein rechteckiges Bauwerk, das man mit einem achteckigen Bau ummantelt hatte, den eine marmorierte Bleikuppel krönte. Der Natursteinbau war mit Marmorplatten verkleidet und befand sich zwischen den Grabmalen von Selims Sohn, Murad III., und seinem Enkel, Mehmed III.
Vor dem Eingang befand sich ein Säulengang mit einer Zentralkuppel und Tonnengewölben über den Seitenteilen. Zwei Wachmänner flankierten den Eingang, standen faul herum und unterhielten sich leise, während die Touristen durch die weit offen stehenden Türen strömten.
Der Innenraum war gut beleuchtet dank zweier übereinanderliegender Reihen vergitterter Fenster, die sich um das gesamte Gebäude herumzogen; eine dritte Fensterreihe befand sich am Unterrand der Kuppel. In der Kuppel selbst waren noch einmal acht Fenster. Die von innen rote Kuppel war mit blauen und goldenen Mosaiken geschmückt. Ein blaues Band zog sich zwischen der oberen und unteren Fensterreihe um den achteckigen Innenraum und schuf eine Trennungslinie zwischen dem Raum unten, den Toten, und dem Himmel oben, der Kuppel. Das Band wurde von weißen arabischen Schriftzeichen geziert.
Die Menschenmenge, die nun, am späten Nachmittag, allmählich kleiner wurde, bewegte sich in feierlichem Schweigen durch das Bauwerk, vorbei an vierundvierzig grün umhüllten Särgen unterschiedlicher Größe. Neben dem Sarkophag von Selim II. gab es den seiner Gemahlin sowie die seiner fünf Söhne und seiner drei Töchter. Hinzu kamen die nur knapp einen Meter langen Särge seiner einundzwanzig Enkel und dreizehn Enkelinnen.
Die Wachmänner blieben die ganze Zeit draußen stehen, waren in ihr Gespräch vertieft und warfen nur hin und wieder einen Blick auf die umherschweifende Menschenmenge.
»Bist du sicher, dass der Stab in dem Sarg ist?«, fragte Michael.
»Ziemlich«, gab KC zur Antwort. »Simon hat gesagt, er wäre da drin, und in seinen Notizen steht es auch. Ich muss mich darauf verlassen.«
»Ganz sicher wärst du dir also erst, wenn wir das Ding öffnen würden? Jetzt gleich?«
»Nur zu«, forderte KC ihn heraus.
Michael ging am Sarg des Sultans vorüber und fasste dabei mit raschem Griff nach einer Ecke des grünen Sargtuchs, das auf Selims Sarkophag lag. Er zog es teilweise herunter, sodass man den Marmorsarg darunter sehen konnte. Die Touristen reagierten schockiert, während KC vor Staunen große Augen bekam. Michael tat verlegen, als wäre das Ganze ein Missgeschick gewesen. Er legte das Tuch wieder richtig hin und strich es glatt, bevor eine der Wachen etwas bemerkte.
Doch Michael hatte gesehen, was er hatte sehen müssen. Der Deckel des Sarkophags war gefälzt, sodass man ihn anheben konnte, obwohl er mehrere hundert Kilo wog.
»Wie soll ich das Ding hochkriegen?«, wisperte KC.
Michael grinste. »Das fragst du? Du verbringst doch so viel Zeit im Fitnessstudio.«
»Sehr witzig.«
»Es wird ein bisschen schwieriger, als wir erwartet
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