Der Dienstagabend-Club
denn ich wusste, dass die beiden sich schon seit einiger Zeit nicht mehr verstanden. Drei Monate später erhielt ich einen ganz hysterischen Brief von Mabel, in dem sie mich bat, so bald als möglich zu ihr zu kommen, da ihre Lage von Tag zu Tag schlimmer würde und sie es bald nicht mehr aushalten könne.
Natürlich habe ich meinem Mädchen Clara sofort das Kostgeld gezahlt und das Silber sowie den Deckelkrug von König Charles zur Bank bringen lassen. Dann setzte ich mich in den Zug. Bei meiner Ankunft fand ich Mabel in sehr nervöser Verfassung vor. Ihr Haus war ziemlich groß und behaglich eingerichtet. Eine Köchin und ein Hausmädchen waren vorhanden, ferner eine Pflegerin für den alten Mr Denman, Mabels Schwiegervater, der, wie man so sagt, ›nicht ganz richtig im Oberstübchen‹ war. Ganz friedlich und gesittet, aber zu Zeiten entschieden merkwürdig. Wie ich schon sagte, lag Geisteskrankheit in der Familie.
Ich war wirklich entsetzt, als ich Mabel so verändert fand. Sie war das reinste Nervenbündel, furchtbar zappelig, und doch hatte ich die größten Schwierigkeiten, sie dazu zu bewegen, mir ihr Herz auszuschütten. Schließlich habe ich alles auf indirektem Wege erfahren. Ich erkundigte mich nach ihren Freunden, den Gallaghers, die sie immer in ihren Briefen erwähnte. Zu meiner Überraschung erfuhr ich, dass sie sich kaum noch sahen. Auf meine Fragen nach den anderen Freunden erhielt ich die gleiche Antwort. Ich redete auf sie ein und betonte, wie töricht es sei, zu grübeln und, vor allen Dingen, sich von seinen Freunden loszusagen. Dann rückte sie endlich mit der Wahrheit heraus.
›Es liegt nicht an mir, sondern an den anderen. Keine Menschenseele will hier mit mir reden. Wenn ich die High Street hinuntergehe, verschwinden sie alle, nur um mir nicht zu begegnen oder nicht mit mir sprechen zu müssen. Ich komme mir vor wie eine Aussätzige. Es ist furchtbar, und ich kann das nicht länger ertragen. Ich fühle mich gezwungen, das Haus zu verkaufen und ins Ausland zu gehen. Jedoch sehe ich nicht ein, warum ich mich vertreiben lassen soll. Ich habe doch nichts getan.‹
Ich war über alle Maßen beunruhigt.
›Meine liebe Mabel‹, erwiderte ich, ›du setzt mich in Erstaunen. Was ist die Ursache für dieses merkwürdige Verhalten?‹
Schon als Kind war Mabel ein schwieriges Persönchen gewesen, und ich hatte die größte Mühe, eine klare Antwort auf meine Frage zu bekommen. Sie sprach erst ganz allgemein von bösem Geschwätz und müßigen Leuten, die nichts anderes im Sinn hätten als Klatsch und Tratsch, und von Leuten, die anderen einen Floh ins Ohr setzten.
›Das ist mir alles klar‹, erwiderte ich. ›Offenbar geht ein Gerücht über dich um. Aber was für ein Gerücht das ist, musst du genauso gut wissen wie die anderen. Und du solltest es mir jetzt sagen.‹
›Es ist so boshaft‹, stöhnte Mabel.
›Natürlich ist es boshaft‹, erklärte ich. ›Es gibt nichts in der menschlichen Gesinnung, das mich noch überraschen könnte. Mabel, willst du mir endlich in schlichten Worten erzählen, was die Leute über dich reden?‹
Dann kam alles ans Licht.
Offenbar gab der plötzliche und unerwartete Tod von Geoffrey Denman Anlass zu allen möglichen Gerüchten, die darauf hinausliefen, dass Mabel ihren Mann vergiftet habe.
Wie Sie alle wohl wissen, gibt es nichts Grausameres als Geschwätz, und nichts lässt sich so schwer bekämpfen. Wenn Leute hinter unserem Rücken reden, können wir nichts abstreiten, und das Gerücht schwillt zu ungeheuren Ausmaßen an. Von einer Sache war ich ganz überzeugt: Mabel war völlig unfähig, jemanden zu vergiften. Und ich sah nicht ein, warum ihr Leben ruiniert und ihr Heim für sie unerträglich gemacht werden sollte, nur weil sie aller Wahrscheinlichkeit nach irgendeine Torheit begangen hatte.
›Von nichts kommt nichts‹, bemerkte ich. ›Nun, Mabel, du musst mir sagen, was die Leute zu diesem Gewäsch veranlasst hat. Es muss irgendetwas vorgefallen sein.‹
Mabel begann zu faseln und erklärte, es sei nichts gewesen – aber auch gar nichts, nur sei Geoffreys Tod eben sehr plötzlich eingetreten. An dem betreffenden Abend habe er sich beim Abendessen anscheinend noch sehr wohl gefühlt und sei in der Nacht dann heftig erkrankt. Man habe den Doktor kommen lassen, aber der arme Geoffrey sei wenige Minuten nach Ankunft des Arztes verschieden. Der Tod sei dem Genuss giftiger Pilze zugeschrieben worden.
›Nun‹, meinte ich, ›ein so
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