Der Dienstagabend-Club
ich konnte. Sie war noch über Wasser, als ich sie erreichte, aber sie klammerte sich aufgeregt und sehr fest an mich, sodass wir beide untergingen. Wenn der Mann mit seinem Boot nicht gekommen wäre, hätte auch ich mein Leben eingebüßt.‹
›Das ist schon oft genug vorgekommen‹, bestätigte ich. ›Jemanden vor dem Ertrinken zu retten ist nicht so einfach.‹
›Es ist entsetzlich‹, fuhr Miss Barton fort. ›Wir sind nämlich erst gestern hier angekommen und waren so begeistert von dem Sonnenschein und unseren Ferien. Und nun muss diese schreckliche Tragödie passieren.‹
Ich bat sie dann um Einzelheiten über die Tote und erklärte ihr, dass ich ihr in jeder Weise zur Seite stehen würde, dass aber die spanischen Behörden genaue Auskunft verlangten. Und sie erzählte mir bereitwillig alles, was ich wissen musste.
Die Tote, Miss Amy Durrant, war ihre Gesellschafterin und hatte vor etwa fünf Monaten ihren Posten bei ihr angetreten. Sie waren recht gut miteinander ausgekommen, aber Miss Durrant hatte sehr wenig über ihre Angehörigen gesprochen. Sie war sehr früh verwaist und wuchs dann bei einem Onkel auf. Mit einundzwanzig Jahren verdiente sie sich schon ihren eigenen Lebensunterhalt.
Und nun war sie tot«, fügte der Doktor hinzu. Nach einer kleinen Pause wiederholte er noch einmal – und es klang, als sei er am Ende seiner Erzählung angelangt –: »Und nun war sie tot.«
»Ich verstehe nicht ganz«, meldete sich Jane Helier. »Ist das alles? Ich meine, es ist ja wohl sehr tragisch, aber nicht gerade sehr mysteriös.«
»Ich glaube, die Geschichte ist noch nicht zu Ende«, meinte Sir Henry.
»Nein«, antwortete Dr. Lloyd, »die Geschichte ist leider noch nicht zu Ende. Schon damals kam etwas Merkwürdiges zu Tage. Ich hatte natürlich auch bei den Fischern und den übrigen Augenzeugen Erkundigungen über den Vorgang eingezogen, und eine Frau hatte etwas Seltsames zu berichten. Damals gab ich nicht viel darauf, aber später erinnerte ich mich wieder daran. Sie behauptete nämlich steif und fest, Miss Durrant sei nicht am Ertrinken gewesen, als sie Miss Barton etwas zurief. Miss Barton sei hinausgeschwommen und habe Miss Durrants Kopf vorsätzlich unter Wasser gehalten. Wie ich schon sagte, gab ich nicht viel darauf. Die Geschichte klang so fantastisch, und oft bekommt man am Ufer einen ganz anderen Eindruck von diesen Dingen. Vielleicht wollte Miss Barton bewirken, dass ihre Freundin das Bewusstsein verlor, weil sie erkannte, dass durch die wilden Anklammerungsversuche sie alle beide ertrinken würden. Die Spanierin dagegen stellte es so dar, als habe Miss Barton versucht, ihre Gesellschafterin zu ertränken.
Ich wiederhole nochmals: Ich schenkte dieser Geschichte damals wenig Beachtung. Unsere große Schwierigkeit bestand darin, etwas über diese Amy Durrant ausfindig zu machen. Es schienen gar keine Verwandten zu existieren. Miss Barton und ich durchsuchten ihre Sachen. Wir fanden eine Adresse, an die wir sofort schrieben. Aber es stellte sich heraus, dass es sich nur um ein Zimmer handelte, das Miss Durrant gemietet hatte, um ihre Sachen unterzustellen. Die Wirtin wusste nichts und hatte sie nur beim Vermieten des Zimmers gesehen. Miss Durrant hatte damals die Bemerkung gemacht, dass sie gern einen Platz habe, den sie ihr eigen nennen und zu dem sie jederzeit zurückkehren könne. Es waren, schrieb die Wirtin, ein paar schöne alte Möbelstücke in dem Zimmer, ferner einige Bände mit Zeichnungen und ein Koffer mit im Ausland erstandenen Stoffresten, aber keine persönlichen Dinge. Der Wirtin gegenüber hatte sie erwähnt, dass ihre Eltern in Indien gestorben seien, als sie noch ein Kind war, und dass sie bei einem Onkel, einem Geistlichen, aufgewachsen sei. Sie hatte jedoch nicht gesagt, ob es ein Bruder ihres Vaters oder ihrer Mutter gewesen sei. Also konnte man mit dem Namen nicht viel anfangen.
Es war eigentlich nicht mysteriös, eher unbefriedigend. Es muss viele einsame, stolze und zurückhaltende Frauen geben, die sich in derselben Lage befinden. Unter ihren Habseligkeiten in Las Palmas entdeckten wir ein paar Fotografien – ziemlich alt und verblichen, und da sie außerdem für die Rahmen zurechtgeschnitten waren, stand der Name des Fotografen nicht mehr darauf.
Sie hatte Miss Barton zwei Referenzen gebracht. Eine hatte Miss Barton vergessen, und auf die andere besann sie sich nach langem Nachdenken. Aber es stellte sich heraus, dass es sich um eine Dame handelte, die gerade
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