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Der Dienstagabend-Club

Der Dienstagabend-Club

Titel: Der Dienstagabend-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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aufgesucht und ihm versichert, sie habe ihm eine Mitteilung von äußerster Wichtigkeit zu machen. Sie habe, so sagte sie, ein Verbrechen begangen. Anstatt fortzufahren, hatte sie sich unvermittelt erhoben und erklärt, sie wolle an einem anderen Tag wiederkommen. Der Pfarrer vermutete, dass sie nicht ganz richtig im Oberstübchen sei, und nahm ihre Selbstanklage gar nicht ernst.
    Gleich am nächsten Morgen entdeckte man, dass sie nicht in ihrem Zimmer war. Statt dessen fand man einen an den Leichenbeschauer gerichteten Brief folgenden Wortlauts:
     
    Ich versuchte gestern, mit dem Pfarrer zu reden, ihm alles zu beic h ten, aber ich durfte es nicht. Sie ließ es nicht zu. Ich kann nur auf eine Weise sühnen – ein L e ben für ein Leben; und mein Leben muss genauso enden wie das ihrige. Auch ich muss im ti e fen Meer ertrinken. Ich glaubte, meine Tat sei gerechtfertigt gew e sen. Nun sehe ich ein, dass es nicht richtig war. Um Amys Ve r zeihung zu erlangen, muss ich zu ihr gehen. Niemand ist an me i nem Tode schuld. – Mary Barton.
     
    Ihre Kleider fand man am Strand in einer abgeschiedenen Bucht. Offenbar hatte sie sich dort ausgezogen und war dann mutig in die See hinausgeschwommen, wo, wie allgemein bekannt, eine gefährliche Strömung war, die jeden Schwimmer die Küste hinabtrieb.
    Die Leiche wurde nicht angetrieben, und nach einer Weile wurde Miss Barton für tot erklärt. Sie war eine reiche Frau; ihr Vermögen belief sich auf hunderttausend Pfund. Da sie ohne Testament starb, fiel das Geld an ihre nächsten Verwandten – eine Familie von Vettern in Australien. Die Zeitungen machten diskrete Anspielungen auf die Tragödie auf den Kanarischen Inseln und vertraten den Standpunkt, dass Miss Durrants Tod den Verstand ihrer Freundin zerrüttet habe. Bei der gerichtlichen Untersuchung der Angelegenheit wurde das übliche Urteil gesprochen: Selbstmord in vorübergehendem Wahnzustand.
    Und so fällt der Vorhang nach der Tragödie von Amy Durrant und Miss Barton.«
    Es entstand eine lange Pause, die von der schwer atmenden Jane Helier unterbrochen wurde:
    »Oh, Sie dürfen hier aber nicht aufhören – gerade an der interessantesten Stelle. Bitte weiter.«
    »Aber, Miss Helier, dies ist kein Fortsetzungsroman. Dies ist das wirkliche Leben, und das wirkliche Leben hört da auf, wo es ihm gefällt.«
    »Aber das will ich nicht«, jammerte Jane. »Ich möchte wissen, wie es weitergeht.«
    »Hier müssen wir eben unseren Verstand gebrauchen, Miss Helier«, erklärte Sir Henry. »Warum hat Mary Barton ihre Gesellschafterin getötet? Das ist das Problem, das Dr. Lloyd uns gestellt hat.«
    »Nun«, meinte Miss Helier, »da gibt es eine Reihe von Gründen. Ich meine – oh, ich weiß nicht recht. Sie mochte ihr auf die Nerven gefallen sein, oder Eifersucht mag eine Rolle gespielt haben. Dr. Lloyd erwähnte zwar keine Männer, aber immerhin mag auf dem Schiff etwas vorgefallen sein – Sie wissen ja, was man im Allgemeinen von Schiffen und Seereisen sagt.«
    Miss Helier hielt leicht erschöpft inne, und es dämmerte ihrer Zuhörerschaft, dass Janes reizender Kopf von außen besser ausgestattet war als von innen.
    »Ich möchte eine ganze Reihe von Mutmaßungen zur Sprache bringen«, erklärte Miss Bantry. »Aber ich muss mich wohl auf eine beschränken. Ich nehme an, dass Miss Bartons Vater all sein Geld auf Kosten von Amy Durrants Vater gemacht hat, den er dabei zu Grunde richtete. Also beschloss Amy, sich zu rächen. Nein, das ist falsch. Die Verhältnisse liegen ja gerade umgekehrt. Wie ärgerlich! Warum tötet eine reiche Brotherrin die bescheidene Gesellschafterin? Ich hab’s. Miss Barton hatte einen jüngeren Bruder, der sich aus Liebe zu Amy Durrant erschossen hat. Miss Barton wartet auf eine günstige Gelegenheit. Amy verarmt und wird von Miss Barton als Gesellschafterin engagiert. Diese nimmt sie mit auf die Kanarischen Inseln und führt ihren Racheakt aus. Wie hört sich das an?«
    »Ausgezeichnet«, lobte Sir Henry. »Nur wissen wir nicht, ob Miss Barton jemals einen Bruder hatte.«
    »Das nehmen wir einfach an«, entgegnete Mrs Bantry. »Ohne Bruder hatte sie kein Motiv. Also muss sie einen Bruder gehabt haben. Sehen Sie das ein, Watson?«
    »Das ist ja alles sehr schön, Dolly«, bemerkte ihr Mann. »Aber es ist eben nur eine Mutmaßung.«
    »Natürlich«, entgegnete Mrs Bantry. »Es bleibt uns ja nichts anderes übrig, als zu raten. Wir haben keine Indizien. Nur zu, lieber Arthur, rate auch

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