Der Dienstagabend-Club
nach Australien gereist war. Man schrieb an sie, und es dauerte natürlich eine ganze Weile, bis die Antwort kam. Und als sie schließlich eintraf, konnte man nicht viel damit anfangen. Die Dame schrieb, dass Miss Durrant ihre Gesellschafterin und sehr tüchtig und charmant gewesen sei, dass sie aber nichts Näheres über ihre Privatangelegenheiten oder Verwandten wisse.
Es lag nichts Ungewöhnliches darin. Aber beides zusammen – einmal, dass niemand etwas über Amy Durrant wusste, und zum anderen der merkwürdige Bericht der Spanierin – erweckte eine gewisse Neugierde und Unruhe in mir. Ja, und ich möchte noch ein Drittes hinzufügen: Als ich mich zuerst über Miss Durrant beugte und Miss Barton auf die Hütte zuging, blickte sie sich um, und zwar mit einem Ausdruck auf ihrem Gesicht, den ich als äußerst bestürzt bezeichnen möchte – eine angstvolle Ungewissheit, die sich mir deutlich eingeprägt hat.
Damals sah ich nichts Ungewöhnliches darin. Ich schrieb es ihrer großen Sorge um ihre Freundin zu. Später aber wurde mir klar, dass die beiden sich gar nicht so freundschaftlich zugetan waren. Miss Barton mochte Amy Durrant gern und war betroffen über ihren Tod – aber sie empfand keinen tiefen Kummer.
Warum dann aber diese auffallende Besorgnis? Diese Frage tauchte immer wieder in mir auf. In dem Blick hatte ich mich nämlich nicht geirrt. Und fast gegen meinen Willen begann sich allmählich eine Antwort in meinem Gehirn zu formen. Wenn nun die Geschichte der Spanierin richtig wäre; wenn Mary Barton versucht hätte, Amy Durrant vorsätzlich und kaltblütig zu ertränken?
Es gelingt ihr, sie unter Wasser zu halten, während sie vorgibt, sie zu retten. Sie werden von dem Boot an Land geholt. Sie befinden sich an einer einsamen, weltabgelegenen Küste. Und dann erscheine ich – etwas, womit sie ganz und gar nicht gerechnet hatte. Ein Arzt! Und noch dazu ein englischer Arzt! Sie weiß ganz genau, dass Menschen, die bedeutend länger unter Wasser gewesen sind als Amy Durrant, durch künstliche Atmung wiederbelebt worden sind. Aber sie muss ihre Rolle spielen – muss fortgehen und mich mit ihrem Opfer allein lassen. Und als sie einen letzten Blick zurückwirft, zeigt sich eine schreckliche Angst in ihren Zügen. Wird Amy Durrant ins Leben zurückkehren und erzählen, was sie weiß?«
»Oh!«, rief Jane Helier. »Jetzt bin ich aber gespannt!«
»Aus dieser Perspektive heraus nahm die ganze Geschichte einen unheimlichen Charakter an, und die Persönlichkeit der Amy Durrant wurde immer geheimnisvoller. Wer war Amy Durrant? Warum sollte sie, eine unbedeutende bezahlte Gesellschafterin, von ihrer Arbeitgeberin ermordet worden sein? Was für eine Geschichte lag der verhängnisvollen Badeexkursion zu Grunde? Sie hatte erst vor wenigen Monaten ihren Posten angetreten. Mary Barton hatte sie mit ins Ausland genommen, und gleich am ersten Tag nach ihrer Ankunft war die Tragödie passiert. Und sie waren beide nette, durchschnittliche, gebildete Engländerinnen! Es war zu fantastisch, und das habe ich mir dann auch gesagt! Ich hatte meiner Fantasie die Zügel schießen lassen.«
»Sie haben also nichts weiter unternommen?«, fragte Miss Helier.
»Meine liebe junge Dame, was konnte ich denn tun? Man hatte keinen Beweis. Die meisten Augenzeugen gaben denselben Bericht wie Miss Barton. Ich hatte meinen eigenen Verdacht auf einem flüchtigen Gesichtsausdruck aufgebaut, den ich mir auch sehr gut eingebildet haben mochte. Nur eins blieb mir übrig, und das tat ich auch. Ich stellte die ausgedehntesten Nachforschungen nach Amy Durrants Verwandten an. Als ich das nächste Mal in England war, suchte ich sogar ihre Wirtin auf, ohne jedoch mehr zu erfahren, als ich schon berichtet habe.«
»Aber Sie spürten, dass da etwas nicht stimmte«, sagte Miss Marple.
Dr. Lloyd nickte.
»Meistens schämte ich mich dieses Gedankens. Wie konnte ich mir erlauben, diese nette, wohl erzogene Engländerin eines gemeinen, kaltblütigen Verbrechens zu verdächtigen? Ich gab mir die erdenklichste Mühe, ihr gegenüber so herzlich wie möglich zu sein während ihres kurzen Aufenthalts auf der Insel. Ich half ihr bei den spanischen Behörden und tat alles, was ein Engländer in einem fremden Lande für eine Landsmännin tun konnte. Und doch bin ich überzeugt, dass sie wusste, dass ich sie verdächtigte.«
»Wie lange blieb sie denn noch auf der Insel?«, erkundigte sich Miss Marple.
»Ich glaube, etwa vierzehn Tage. Miss Durrant wurde
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