Der Dienstagabend-Club
höchst wichtiger Punkt.«
»Ein ziemlich kühnes Unterfangen«, meinte Miss Marple, »denn Mrs Pritchard hätte sie trotz ihrer Verkleidung ja erkennen können. Aber in dem Falle konnte die Schwester ja so tun, als handle es sich um einen Scherz.«
»Sie erwähnten vorhin, dass Sie sich an der Stelle einer gewissen Person nicht auf das Angstmotiv verlassen hätten. Was wollten Sie damit sagen?«, fragte Sir Henry.
»Man konnte nicht damit rechnen«, erwiderte Miss Marple. »Nein, ich glaube, die Warnungen und die blauen Blumen waren – wenn ich mal einen militärischen Ausdruck verwenden darf« – sie lachte etwas verlegen –, »nur Camouflage.«
»Und was steckte dahinter?«
»Ich weiß«, entschuldigte sich Miss Marple, »dass mir Wespen im Kopf herumspuken. Die armen Dinger, zu Tausenden vernichtet – und gewöhnlich an so schönen Sommertagen. Aber als ich einmal sah, wie der Gärtner das Zyankali in einer Flasche mit Wasser auflöste, habe ich mir gedacht, wie sehr es doch dem Riechsalz ähnelt. Und wenn man es in ein Riechfläschchen täte – nun, die arme Kranke gebrauchte ja immer so ein Fläschchen. Man fand es sogar neben ihrer Hand, als sie gestorben war. Als Mr Pritchard den Arzt anrief, konnte die Schwester es gegen das richtige Fläschchen austauschen, und sie konnte ein ganz klein wenig das Gas aufdrehen, um den Mandelgeruch zu verdecken, und für den Fall, dass sich jemand nicht recht wohlfühlte. Ich habe immer gehört, dass Zyankali keine Spuren hinterlässt, wenn man lange genug wartet. Aber ich kann mich natürlich getäuscht haben, und es mag etwas ganz anderes in der Flasche gewesen sein; doch das spielt eigentlich keine Rolle, nicht wahr?«
Miss Marple hielt etwas erschöpft inne.
Jane Helier beugte sich vor und sagte: »Aber wie steht’s mit der blauen Geranie und den anderen Blumen?«
»Schwestern haben immer Lackmuspapier, nicht wahr?«, entgegnete Miss Marple. »Für – nun, für Untersuchungen. Kein sehr angenehmes Thema. Wir wollen nicht dabei verweilen. Ich habe auch etwas Krankenpflege ausgeübt. Blaues Lackmuspapier wird durch Säuren rot, und rotes Lackmuspapier wird durch Basen blau. Es ist so leicht, etwas rotes Lackmuspapier über eine rote Blume zu kleben – nahe am Bett natürlich. Und wenn dann die arme Dame ihr Riechsalz benutzte, färbten die starken Ammoniakdünste das Papier blau. Wirklich sehr spitzfindig. Die Geranie war natürlich noch nicht blau, als die Leute ins Zimmer kamen – das sah man erst später. Als die Schwester die Flaschen vertauschte, hat sie das Riechfläschchen einen Moment gegen die Tapete gehalten.«
»Man könnte meinen, Sie seien dabei gewesen, Miss Marple«, sagte Sir Henry bewundernd.
»Worüber ich mir Sorgen mache«, erwiderte Miss Marple, »das ist das Verhältnis zwischen dem armen Mr Pritchard und dem netten jungen Mädchen, Miss Instow. Wahrscheinlich haben sie sich gegenseitig in Verdacht und gehen sich aus dem Wege. Dabei ist das Leben so kurz.«
Sie schüttelte betrübt den Kopf.
»Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, beruhigte sie Sir Henry. »Ich habe nämlich eine kleine Überraschung für Sie. Eine Krankenschwester ist gerade verhaftet worden, weil sie eine ältere Patientin ermordete, die ihr eine größere Summe vermacht hatte. Es geschah mit Zyankali, das anstelle von Riechsalz in ein Riechfläschchen abgefüllt worden war. Es handelt sich um Schwester Copling, die den gleichen Trick noch einmal versuchte. Miss Instow und Mr Pritchard brauchen keine Zweifel an der Wahrheit zu hegen.«
Die Gesellschafterin
» N un, Dr. Lloyd«, wandte sich Miss Helier an den Arzt, »wissen Sie keine aufregenden Geschichten?«
Sie lächelte ihm zu – es war das Lächeln, das allabendlich das Theaterpublikum bezauberte. Jane Helier wurde manchmal die schönste Frau Englands genannt, und eifersüchtige Kolleginnen pflegten einander zuzuraunen: »Jane ist natürlich keine Künstlerin. Sie kann nicht spielen – wenn Sie mich richtig verstehen. Es sind einfach diese Augen!«
Und diese Augen waren in diesem Moment schmachtend auf den grauhaarigen älteren Junggesellen Dr. Lloyd gerichtet, der während der letzten fünf Jahre die Kranken im Dorf St. Mary Mead betreut hatte.
»Wissen Sie, Miss Helier«, meinte Dr. Lloyd, »es passiert nicht viel Unheilvolles – und noch weniger Verbrecherisches – in St. Mary Mead.«
»Aber Doktor«, beharrte Jane Helier, »Sie haben doch nicht immer hier gelebt. Sie sind
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