Der Dienstagabend-Club
Bäumen schien kein Vogel zu nisten. Ein Gefühl beklemmender Trostlosigkeit bemächtigte sich meiner. Ich sah, wie Haydon mich, seltsam lächelnd, anblickte.
›Spüren Sie etwas an dieser Stätte, Pender?‹, fragte er. ›Was ist es? Antagonismus? Oder Unbehagen?‹
›Es gefällt mir hier nicht‹, antwortete ich gelassen.
›Das ist verständlich. Dies war nämlich ein Bollwerk der alten Feinde Ihres Glaubens. Dies ist der Hain der Astarte.‹
›Astarte?‹
›Ja, Astarte oder Istar oder Aschtoreth oder wie man sie auch nennen mag. Ich ziehe den phönizischen Namen Astarte vor. Es existiert noch ein anderer Hain der Astarte in diesem Land – auf dem Wall im Norden. Ich kann es zwar nicht beweisen, aber ich glaube, wir haben hier einen wirklichen, authentischen Astartehain. Hier, innerhalb dieses Baumkreises, wurden heilige Riten ausgeübt.‹
›Heilige Riten‹, murmelte Diana Ashley, und ihre Augen bekamen einen träumerischen, abwesenden Ausdruck. ›Was für Riten mögen das wohl gewesen sein?‹
›Sicher keine anständigen, nach allem, was man so hört‹, meinte Captain Rogers mit einem lauten, albernen Lachen. ›Ziemlich leidenschaftliche Angelegenheit, denke ich mir.‹
Haydon achtete nicht weiter auf ihn.
›Im Mittelpunkt des Hains müsste eigentlich ein Tempel stehen‹, erklärte er. ›Tempel kann ich mir nicht leisten, dafür habe ich mir ein eigenes Fantasiegebilde geschaffen.‹
In diesem Augenblick betraten wir eine kleine Lichtung im Innern des Hains, und mitten darin erhob sich ein steinerner Bau, der wie ein Sommerhaus aussah.
Diana Ashley richtete einen fragenden Blick auf Haydon.
›Ich nenne es das Götzenhaus‹, sagte er. ›Es ist das Götzenhaus der Astarte.‹ Er führte uns hinein. Innen stand auf einer unpolierten Ebenholzsäule eine seltsame kleine Statue, die eine Frau mit halbmondförmigen Hörnern, auf einem Löwen sitzend, darstellte.
›Die Astarte der Phönizier‹, sagte Haydon, ›die Göttin des Mondes.‹
›Die Göttin des Mondes‹, wiederholte Diana. ›Oh, feiern wir doch heute Abend eine wilde Orgie! In Kostümen. Im Mondschein werden wir hierherkommen und dem Kult der Astarte frönen.‹
Ich machte eine unwillige Bewegung, worauf Elliot Haydon, Richards Vetter, sich mir schnell zuwandte.
›Ihnen gefällt dies alles nicht, Herr Pfarrer, gestehen Sie es nur.‹
›Nein‹, erwiderte ich ernst. ›Ganz und gar nicht.‹
Er warf mir einen besorgten Blick zu.
›Aber es ist doch nur ein Scherz. Dick kann bestimmt nicht wissen, ob dies wirklich ein heiliger Hain war. Das bildet er sich nur ein. Er spielt gern mit diesem Gedanken. Und selbst, wenn es der Fall wäre –‹
›Ja, was dann?‹
›Nun –‹ Er lachte viel sagend. ›Sie glauben doch nicht an so etwas, nicht wahr? Sie, als Pfarrer.‹
›Ich weiß nicht recht, ob nicht gerade ich als Pfarrer daran glauben sollte.‹
›Aber das sind doch alles Dinge der Vergangenheit.‹
›Dessen bin ich nicht so sicher‹, erwiderte ich nachdenklich. ›Ich weiß nur eines: Im Allgemeinen lasse ich mich nicht so leicht von meiner Umgebung beeinflussen, aber von dem Moment an, da ich diesen Hain betrat, habe ich eine merkwürdige Wirkung verspürt. Es ist mir, als sei ich von etwas Bösem und Drohendem umgeben.‹
Er blickte ängstlich über seine Schulter.
›Ja‹, gab er zu, ›es ist – es ist irgendwie sonderbar. Ich verstehe, was Sie meinen, aber vermutlich spielt uns unsere Fantasie einen Streich. Was sagen Sie dazu, Symonds?‹
Der Doktor antwortete nicht sofort. Nach einer Weile sagte er ruhig:
›Ich mag so etwas nicht. Ich kann Ihnen nicht sagen, warum, aber irgendwie gefällt es mir nicht.‹
In diesem Augenblick kam Violet Mannering zu mir herüber.
›Dieser Platz ist mir verhasst!‹, rief sie. ›Lassen Sie uns doch fortgehen.‹
Wir brachen auf, und die anderen folgten uns. Nur Diana Ashley blieb zurück. Als ich mich umsah, stand sie vor dem Götzenhaus und betrachtete sinnend die Statue.
Es war ein ungewöhnlich heißer und schöner Tag, und Dianas Vorschlag, am Abend ein kleines Kostümfest zu veranstalten, wurde von allen mit Begeisterung aufgenommen. Wie gewöhnlich wurde bei den Vorbereitungen viel gelacht, getuschelt und heftig genäht, und als wir am Abend zum Essen erschienen, wurden wir mit den üblichen Heiterkeitsausbrüchen empfangen. Rogers und seine Frau waren neolithische Höhlenbewohner – wodurch sich das plötzliche Fehlen der Kaminvorleger erklärte.
Weitere Kostenlose Bücher