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Der Dienstagabend-Club

Der Dienstagabend-Club

Titel: Der Dienstagabend-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Entsetzen jenes schrecklichen Augenblicks fühlen, als ich mit ansehen musste, wie ein Mann durch anscheinend überirdische Kräfte zu Tode kam.«
    »Ich bekomme eine regelrechte Gänsehaut«, klagte Sir Henry.
    »So erging es mir damals auch«, erwiderte Dr. Pender. »Seitdem habe ich nie mehr über Leute gelacht, die von der ›Macht der Atmosphäre‹ reden. Es gibt tatsächlich so etwas. Gewisse Orte sind von guten oder schlechten Einflüssen so durchdrungen und gesättigt, dass eine unwahrscheinliche Wirkung von ihnen ausgeht.«
    Joyce stand auf und drehte die beiden Lampen aus, sodass der Raum nur durch den flackernden Feuerschein im Kamin erhellt wurde.
    »Atmosphäre«, meinte sie, »nun können wir uns so richtig in die Geschichte hineinversetzen.«
    Dr. Pender lächelte ihr zu, lehnte sich im Sessel zurück, nahm seinen Kneifer ab und begann.
    »Ich weiß nicht, ob jemand von Ihnen Dartmoor kennt. Das Haus, von dem ich Ihnen erzählen will, liegt am Rande von Dartmoor. Es war ein reizvolles Besitztum, und doch blieb es mehrere Jahre ohne Käufer. Ein Mann namens Haydon – Sir Richard Haydon – kaufte das Haus schließlich. Ich kannte ihn von meiner Studienzeit her, und obwohl ich ihn etliche Jahre aus den Augen verloren hatte, verband uns immer noch die alte Freundschaft. Mit großem Vergnügen nahm ich daher seine Einladung in den ›Hain des Schweigens‹, wie sein neues Besitztum hieß, an.
    Die Zahl der Gäste war nicht sehr groß. Abgesehen von Richard Haydon selbst waren anwesend: sein Vetter Elliot Haydon, Lady Mannering mit einer blassen, ziemlich unansehnlichen Tochter namens Violet, ein Captain Rogers und seine Frau, abgehärtete Sportsmenschen, die sich nur für Pferde und Jagd interessierten; ferner ein junger Dr. Symonds und endlich Miss Diana Ashley. Miss Ashley war mir nicht ganz unbekannt. Ihr Bild war oft in den besseren Illustrierten zu sehen, denn sie gehörte zu den berühmten Schönheiten der Saison. Sie war in der Tat eine auffallende Erscheinung – hochgewachsen, mit schöner, gleichmäßig getönter elfenbeinfarbener Haut und dunklen, schräg stehenden Augen, die ihr ein seltsam pikantes orientalisches Aussehen verliehen. Außerdem besaß sie eine wundervolle Stimme, tief und klar.
    Ich sah sofort, dass sie auf meinen Freund Richard Haydon eine große Anziehungskraft ausübte, und ich vermutete, dass die ganze Gesellschaft ihretwegen arrangiert worden war. Über ihre Gefühle war ich mir nicht ganz im Klaren. Sie war ein wenig launenhaft in ihren Gunstbezeigungen. Eine Zeit lang redete sie nur mit Richard, ohne irgendeinem anderen die geringste Beachtung zu schenken. Dann wieder favorisierte sie seinen Vetter Elliot und schien kaum zu merken, dass Richard überhaupt noch existierte. Bei anderen Gelegenheiten griff sie sich den ruhigen, zurückhaltenden Dr. Symonds heraus und versuchte, ihn mit ihrem bezaubernden Lächeln zu betören.
    Am Morgen nach meiner Ankunft zeigte uns unser Gastgeber sein ganzes Anwesen. Das Haus selbst war nicht besonders bemerkenswert; es war ein gutes, solides Haus aus Devonshire-Granit, das Wind und Wetter trotzen konnte, unromantisch, aber sehr behaglich. Von seinen Fenstern aus genoss man einen weiten Blick über das Panorama der Heide – eine weite Landschaft, deren Hügel mit verwitterten Felsspitzen gekrönt waren.
    Auf den Kuppen des uns am nächsten gelegenen Felsens befanden sich Überreste aus den längst vergangenen Tagen der jüngeren Steinzeit. Auf einem anderen Hügel hatte man kürzlich ein Hünengrab entdeckt, in dem Bronzewerkzeuge gefunden worden waren.
    ›Aber diese Besitzung hier ist das Interessanteste von allem‹, behauptete er. ›Der Name ist Ihnen bekannt – Hain des Schweigens. Es ist leicht zu erraten, woher der Name stammt.‹
    Er deutete mit der Hand auf eine bestimmte Stelle. Die Gegend hier war einigermaßen kahl – Felsen, Heide und Farnkraut, aber kaum hundert Meter vom Hause entfernt befand sich ein dichter Hain.
    ›Das ist ein Stück uralter Vergangenheit‹, erklärte Haydon. ›Die Bäume sind natürlich inzwischen abgestorben und wieder neu angepflanzt worden, aber im Großen und Ganzen ist der Hain so geblieben, wie er in grauer Vorzeit war – vielleicht genauso wie in den Zeiten der phönizischen Siedler. Kommen Sie mit, und sehen Sie ihn sich einmal an.‹
    Wir folgten ihm alle. Sobald wir den Hain betraten, spürte ich eine seltsame Beklemmung. Es lag vielleicht an dem drückenden Schweigen. In diesen

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